Charakterisierungen und Deutungen ursprachlicher Zusammenhänge – Teil 2

Der Übergang vom Unaussprechlichen zum Wort – oder die Verbindung des Geistes mit dem Stoff

Nach unserer Versenkung in die Wesensart der Vokale, wird der ein oder andere Leser sich eventuell die Frage stellen, ob nun die Vokale sich zuerst entfalteten oder die Konsonanten. Denn augenscheinlich sind die heutigen Selbstlaute aus älteren Buchstabenbezeichnungen, also aus Wörtern hervorgegangen, die Konsonanten beinhalten. Es muss dazu gesagt werden, dass in den altertümlichen Begriffen für Buchstaben, z.B. eben des hebräischen Alphabets, immer die Vokale in ihrer heutigen Reinform enthalten waren. Das i beispielsweise in jod ist lautlich an dessen Anfang klar zu spüren, es kann ja auch gar nicht anders gesprochen werden: i-od. Kein Konsonant kann ohne eine Vokalisierung ausgesprochen werden, in jedem Konsonant liegt eindeutig immer etwas Vokalisches. Eine etwaige Frage danach, ob nun erst Vokal oder Konsonant existiert haben, kann insofern beantwortet werden, dass beide sich aus einem Ganzen, aus einer ursprünglichen Einheit heraus differenzierten, so wie sich analog dazu, aus einer Ursprache heraus viele Sprachen entfalteten. Das heißt, dass sich mit der Schöpfung gleichsam beide Möglichkeiten, beide Potenziale entfalteten und somit beide gleichlaufend und nahezu gleichlautend, nebeneinander entstanden sind. Die Selbstlaute sind Zeugnisse des Innenlebens der sich entwickelnden Menschheit, während die Mitlaute der außerhalb des Menschen sich entfaltenden Umwelt zugezählt werden können. Sie sind potenziell in den Gegenständen – also in dem, was dem Menschen im Außen entgegensteht – schon vorhanden, können aber, wie wir bereits aufgezeigt haben, nur in Verbindung mit den Selbstlauten zum Ausdruck gebracht werden. Es kann, dem ungeachtet nachvollzogen werden, welcher Laut, bzw. welches Lautgefüge sich zu Beginn aus dem Geistigen heraus gebildet haben muss und es kann verstanden werden, dass es ein Zusammenspiel sein musste, zwischen den später sich differenzierenden Konsonanten und den Selbstlauten, den Vokalen. Es handelt sich hierbei um eine, in den Schöpfungsbeschreibungen aller alten Kulturen, bishin zur christlichen Schöpfungsgeschichte, wiedergegebene Offenbarung.

 

 H

 So wie heute im christlichen Abendland das Zeugnis der Schöpfung mit dem Ausspruch: Am Anfang war das Wort – beginnt, so war es bei den Indern der Klang, der Urton des Universums, welcher aus der Ganzheit heraus drang. Es ist das bereits erwähnte Ausatmen, des im Indischen als Vishnu bezeichneten Schöpfergottes. Es ist der Atem, Atma, der Odem, der Hauch, hebräisch Huach (Geist, Seele, Wind, Geruch), arabisch Ruch (Geist), aramäisch Rucha (Hauch, Geist) – kurz symbolisierbar durch den heutigen Buchstabe H. Das H ist seinem wesenhaften Sinne nach weder richtiger Konsonant, noch ein Vokal. Es versinnbildlicht den ersten Hauch, den nicht greifbaren Wind sowie die erste Umhüllung eines geistigen Wesens, mit einer annähernd irdischen Leibesgestaltung. In Begrifflichkeiten wie hoch, hell, heilig, Heilung, Heimat, Hall, Hut, Hülle, Hütte, Haus, Himmel, hold, Hauch oder der Harmonie können wir die Charakteristik des Hohen, Edlen, des nicht Greifbaren oder aber der Umhüllung nachempfinden.

Sehr bezeichnend ist, dass das H im hebräischen ח (chet – wie im Worte Koch gesprochen), so dargestellt ist, wie eine halb geöffnete, halb verschlossene Hand, also eine Krallenform die man sich ähnlich wie beim Zugreifen vorstellen kann. Es ist die erste Umschließung, die jedoch noch nicht vollständig einhüllend ist. Es ist die nachahmende Gestaltung der Luft, des Hauches, des Rauches, von welchem sich auch das Wort riechen ableitet und was ebenfalls das Herab-reich-en des göttlichen ins Irdische symbolisiert. Es kann dementsprechend auch als etwas Heranwehendes betrachtet werden. Im Runenalphabet ist es das ᚻ (haglaz – was mit Hagel übersetzt wird) und im Gotischen das Haal, was wiederum auf den Hall, die Halle, den Schall und damit auf den klanglichen Aspekt des Hauches hinweist.

Das H, indem zwangsläufig auch das Alpha, das A steckt, ist demnach ein Sinnbild für die entstandene Polarität. Das A bezeichnet wie wir gelernt haben, das Heraustretende. Es ist daher auch der am meisten konsonantische Vokal, so wie umgekehrt das H der am meisten vokalische Konsonant ist. Hierzu ist erwähnenswert, dass die enge Beziehung des H zu den Vokalen schon darin zu erkennen ist, dass in jedem ausgesprochenen Vokal das H wiedergegeben wird. Ob Ah, Eh, Ih, Oh oder Uh, an jedem Vokal haftet das H und weist uns damit den Weg des Vokals, aus der und zurück in die geistige Welt. Rudolf Steiner bezeichnete es als das Kreisen der Vokale im Kosmos. Nun geht das A nach außen hin, da wo die Konsonanten sind, das H jedoch ist, wie aufgezeigt wurde, die Verbindung zwischen dem Außen und dem Innen. Ein Beispiel hierzu soll dies vergegenwärtigen: Das Lachen H-a (siehe Haha), steht der Verehrung, der Bewunderung, also dem A-h (siehe Staunen – Aaah) polar gegenüber – Ha und aH. Das Ausatmen und das Einatmen sind hier zu erahnen. Das Ausatmen, Ha ist der Vorgang, bei welchem, bildlich gesprochen, von oben etwas herab kommt ins Irdische, bei dem aus dem Geistigen heraustretendes, sich mit Irdischem verbindet. Nehmen wir die indische Gottheit Vishnu, welche die Universen durch den Ausatemvorgang erschafft als Bildnis, können wir das gut veranschaulichen. Das Einatmen hingegen saugt in diesem Zusammenhang förmlich etwas aus dem Materiellen zurück ins Geistige. Wenn nach den Veden Vishnu das All wieder einatmet, vergehen alle Welten, sie kehren zurück in den Leib Gottes. Wann sagen wir denn unter anderem staunend Ah? Wenn uns sich etwas vorher Unbekanntes, Dunkles, bisher Undurchsichtiges erhellt hat, wenn wir Licht ins Dunkel bringen konnten, wenn sich Erkenntnis einstellt, dann sagen wir meist beeindruckt Ah. Wir haben damit demgemäß etwas Irdisches in die Ebene des Geistigen gehoben.

Wie schon mehrfach bemerkt wurde, ist der erste Schritt zu einem höheren Erkennen die Verehrung. Durch die Verehrung erbauen wir uns die Befähigung, dem Wesenhaften einer Erscheinung gegenüberzutreten. Wie wir am heute gebräuchlichen Ausdruck –aha, den wir benutzen, wenn wir etwas verstanden haben, feststellen können, ist alles ein Rhythmus, ein Geben und Nehmen. Wenn wir diese Silbe philosophisch auf uns wirken lassen, dann offenbart diese Silbe aha uns, wie wir etwas ins Geistige erheben und wie dieses, aus Selbigem dann verwandelt zurück kehrt zu uns. Wir haben den Gedanken staunend von uns gehen lassen und zurück bekommen als etwas, was wir begreifen, was wir, unter Umständen, nun wiederum bewunderungsvoll durchschauen können. Wir benutzen die aha Silbe als Benennung für eine vollzogene Erkenntnisgewinnung. Wieder erinnern wir uns an Rudolf Steiners eingangs Gegebenes Zitat.

Unser heutiges klares H kommt im hebräischen Alphabet in seiner Reinform gar nicht vor. Der helle Hauch wurde als Grenze des Unaussprechlichen zum Aussprechbaren angesehen und wohl daher im Hebräischen nur mitsamt anderer Laute verwendet, da die Hebräer sprachlich ihre tiefe Verehrung für das Göttliche demütig auszudrücken pflegten und somit vor der Reinheit des H eine gewisse Ehrfurcht gehabt haben mögen. Wenden wir uns nun aber dem Alphabet wieder zu. Wir geraten nun in den Bereich der Konsonanten. Der erste Mitlaut und gleichsam zweite Buchstabe im Hebräischen ist das B, b – beth.

 

 B

 Hier steigert sich nun weiter die Spannung, denn mit dem Verstehen der Prinzipien, die uns hier an die Hand gegeben worden sind, können wir schon einige Rätsel der Sprache und der ursprachlichen Beziehungen erhellen und gewichtige Konsequenzen daraus ziehen.

Bevor wir uns der symbolischen Ausdruckskraft des B, b zuwenden, bei welcher wir zu selbigen Schluss gelangen, wie bei der Betrachtung der überlieferten Sinngebung im Hebräischen, soll eben diese kurz mitgeteilt werden. Im Hebräischen heißt der Buchstabe beth ב und bedeutet Haus, Umhüllung. Im phönizischen wurde es stilisiert ebenfalls als eine Art Grundriss eines Hauses dargestellt. Fabre d’Olivet wies auf die Formgebung bei der Aussprache des B hin, er bezeichnete den Mund des Menschen logischerweise als das zentrale Organ der Sprache, als das Innere, die Wohnung derselben. Wenn wir das B aussprechen wollen, müssen wir zuvor unsere Lippen zusammenpressen, sodass wir das Innere des Mundraumes vom Äußeren trennen. Wir bilden eine Hülle. Erst beim Aussprechen des B (Be), wenn wir dem Symbol des B den E Vokal zufügen, um es überhaupt aussprechbar zu machen, öffnen wir den Mund.

Im Runenalphabet finden wir den Ausdruck ᛒ berkanō, was geläufig mit Birke übersetzt wird und ursprünglich von der Silbe –bar (tragen, bringen) hergeleitet werden muss. Die Birke birgt etwas in sich, sie verbirgt das in ihr befindliche und drückt dementsprechend schon in ihrer deutschen Namensgebung aus, dass sie etwas umhüllt, dass in ihr eine Sache oder eine Dinglichkeit weilt, die wir nicht direkt sinnlich wahrnehmen können. Wie auch das Wort Berg, bergen oder die Geburt mit dem Ver-bergen, dem in sich tragen verwandt sind, so ist das auch bei ber-k-anō der Fall. Dazu später mehr. Wir können also mit Fug und Recht dem B, b die Eigenschaft des in sich bergens geben, der Umhüllung und somit der alten hebräischen Bedeutung des Hauses zustimmen. Das Haus verbirgt vor demjenigen, der Außer ihm ist, dass in sich Befindliche, es schützt seine Bewohner und es beherbergt verschiedenste Elemente in sich. Deutlicher wird dies, wenn wir uns die Formgebung, die Gestaltung des B, b als Sinnbild vor den Geiste stellen. Ähnlich wie bei der Zahl 6, wo von oben nach unten etwas zu dringen scheint, was sich zu einem Einschluss ausbildet, wird dies auch bei der Darstellung des klein dargestellten b vollzogen. Wir sehen bei der Betrachtung dieses Buchstabens, wie etwas durch die Kreisbildung nach unten eingehüllt wird, wie wirklichkeitsgemäß eine Behausung geschaffen wird. Bei der Gestaltung des großen B sieht man dies gleich in einem ausgeprägteren Sinne. Es ist der Einschluss von etwas Geistigem in die Materie.

An dieser Stelle möchte ich wiederholt betonen, dass die Konsonanten, wie das B einer ist, etwas nachbilden, etwas zur Geltung bringen, was von außen her einen Eindruck auf den Menschen macht, während die Vokale bekanntlich selbstlautend sind. Vokale drücken ein Gefühlsmäßiges, also von Innen herausströmendes Befinden aus, wie eben das Staunen oder das Fürchten. Bei einem Konsonanten bilden wir selbst etwas nach, was außerhalb von uns ist, etwas, was wir beobachten. Das was außerhalb von uns ist, können wir sinnlich beobachten, wir können es nachahmen, es bauen oder zeichnen, wie beispielsweise einen Tisch, einen Stuhl, ein Haus usw. Dies bleibt uns bei dem, was in unserem Inneren an Empfindung weilt, verwehrt, denn bei den Gefühlslauten, bei einem Gefühl wie dem Staunen, ist es uns nicht möglich, dies im Außen unmittelbar nachzubilden. Wir müssen es aussprechen, wenn wir es einem Anderen mitteilen oder zeigen wollen. Wie schon angedeutet, können wir einen Konsonanten nicht alleine, nicht ohne einen Vokal, also ohne einen Gefühlslaut aussprechen, weshalb wir beispielsweise dem B ein E anfügen müssen um es sprachlich wiedergeben zu können. Die Bedeutung des B als Umhüllung, als BET (Haus), finden wir auch im Altdeutschen Sprachschatz wieder in dem Wort BAUT (Bau, Haus). Es ist gewiss kein Zufall, dass bei den Bezeichnungen für BAU und HAU-s, dieselben Vokale verwendet werden, denn sie drücken auch dasselbe Innenleben aus. Am Beispiel BAU erkennen wir das wie folgt: Der erste Bau, das erste feste und starre Gebäude, was der aus den Himmeln stammende Mensch errichtete, führte zu Staunen, aber auch zu einer gewissen Erstarrung, zu einer notwendigen Ehr-furcht. Es war nichts rein feinstoffliches, geistiges mehr, sondern es war feste, standhafte und widerstandsfähige Materie, zu der sich das Geistige nun verdichtet hatte. Der Bau in dem man sich aufhalten konnte, der einem das Gefühl von Geborgenheit und von Schutz gab, der ja zuallererst eine Hülle (B) darstellte, führte zum Staunen (A) aber auch zu einem Gefühl der Erstarrung, Ehrfurcht und des Zusammenziehens, wie allerdings auch des sich Zurückziehens nach innen (U). Der früher unbegrenzte Geistmensch, hatte in seinem grobstofflichen Körper plötzlich eine Hülle, eine einengende Umgebung, eben einen BAU geschaffen, der nicht räumlich grenzenlos war, sondern der eine gewisse Abgrenzung und damit ein Hindernis, ein Zusammenziehen bedeutete, was mit dem Gefühl der Furcht, der Unbehaglichkeit vereinbar ist. Auch heute haben viele Menschen Furcht, wenn sie in einen kleinen, engen Raum eingesperrt werden. Der Volksmund weiß noch unbewusst um diese Tatsachen, wenn er klar und deutlich ausspricht, dass er sich gerade unwohl fühlt in seinem Körper oder das er aus der Haut fahren könnte. Der vollendete, staunende Mensch (A) hatte also nun einen Leib, eine Hülle, einen Bau (B) und somit die Grundlage, für das Alpha-Bet geschaffen. Es lohnt sich, tief in solche Zusammenhänge einzutauchen, sie andächtig, also meditativ zu betrachten. Nach und nach ergeben sich klare Bilder und Botschaften und es wird einem umso deutlicher, welche Mitteilung die Menschen uns mit dem ursprünglichen Alphabet gegeben haben. Sie erzählten uns von der Schöpfung, von der Schaffung der grobstofflichen Leibeshülle und dem Leben darin.

 

 G

Der im hebräischen Alphabet auf das beth (B) folgende Laut ist das G, ג (gimel), im Griechischen Gamma. Gimel wird im Hebräischen mit Kamel übersetzt und gibt uns daher zunächst wenig Aufschluss über seine tiefere Sinnhaftigkeit. Betrachten wir diesen Buchstaben jedoch in anderen Sprachen und anhand einiger Merkmale eines Kamels, erhalten wir eine leise Ahnung davon, welch ausgeprägten Charakter uns der Begriff gimel offenbart. Das Kamel ist ein großes und kräftiges sowie ausdauerndes Tier, welches in der Wüste, in der kaum Leben zu finden ist, ohne große Probleme uns tapfer zur Seite steht, die Lasten der Menschen schleppt, wenig Wasser benötigt und durchaus ein ziemlich erhabenes Tier zu sein scheint. Es ist widerstandsfähig und dient dem Menschen, ohne dabei selbst besonders anspruchsvoll zu sein. Im Griechischen heißt Kamel kamila, der Anfangsbuchstabe G wandelte sich hier zum härteren K. Im Griechischen Gamma finden wir die Silbe Ga, was Ehe, Weihe bedeutet und was wieder etwas Himmlisches und Heiliges bezeichnet. Im Sanskrit ist Gagana der Himmel. Nehmen wir das Runenalphabet zur Hand, finden wir die Rune gibo. Schon lautlich erinnert uns gibo an geben, an die Gabe und genau dies wird durch diese Silbe auch bezeichnet. Eine Gabe ist etwas nach außen Gerichtetes. Im Gotischen finden wir selbiges wieder in gewa, was soviel wie das Gehen des Weges (heute der Gehweg) bezeichnet. Der Weg liegt vor uns, liegt außerhalb von uns und benennt sozusagen etwas nach außen – von uns weg – Gerichtetes. Ebenso der Himmel, das Heilige, denn es strahlt uns an, es erhellt uns und wendet sich hinaus, gleich der Sonnenstrahlen, die von der Sonne aus hinfort strahlen, nach draußen, um zu uns auf die Erde zu gelangen und diese zu erhellen und Leben zu ermöglichen.

Wenn wir nun dazu übergehen, das G, g symbolisch zu betrachten, werden wir feststellen, dass es, schon anhand der eben beschriebenen Eigenschaften, das genaue Gegenteil des B ist, da es nicht etwas nach innen einschließt, sondern etwas nach außen richtet, etwas eingeschlossenes wieder frei lässt. So wie in der Zahlenmagie die 9 das Gegenstück zur 6 darstellt, so ist das g analog als Gegenstück zum b zu sehen. Da wo beim Buchstabe b von oben herab, aus dem Geistigen herab, etwas in die Materie eingeschlossen wird, wird umgekehrt beim g von der Materie etwas gelöst, was sich ins Geistige wieder einfügt und sich dort verankert, dort gedeiht. Sieht man sich die Schreibschrift vieler Menschen an, dann wird einem klar vor Augen geführt, dass das g einer 9 gleicht. Bezeichnet das B also die Hüllenbildung in der Vergangenheit, so drückt das G die Geistesentfaltung in der Zukunft aus, den Weg zurück nach oben in die Welt des Feinstofflichen, das sinnbildliche Erklimmen eines Gipfels. Nicht umsonst endet das Wort BERG mit dem G und beginnt mit dem B. Sprachprägung beruhte nie auf Zufall, sie ist in früheren Zeiten eine Übertragung des Bildhaften gewesen für die Bezeichnung des direkten Erlebens. So ist auch die deutsche Bezeichnung GEBURT, das Gebären eine Begrifflichkeit, die noch aus altem Sprachverständnis und aus der damaligen sprachbildenden Kraft heraus entstanden ist. Wie bereits erwähnt ist die Silbe –bar, -bär, -bur eine alte Bezeichnung für das Tragen. Die Ge-bur-t bezeichnet entsprechend die Freilassung des Getragenen, das Verlassen der Umhüllung und dieser Vorgang wird durch das G gekennzeichnet. Die Wortwahl Ge-tragen ist demnach keine beliebige. Man kann das G damit als eine Art Ausstoßende, Abwehrende Geste betrachten, etwas, was wegdrängende, schiebende Charakteristik besitzt. Die Gebärde des G in der Eurythmie ist eine von innen nach außen gerichtete, eine freilassende, sich ausbreitende. Das G kann als Abschluss eines Prozesses betrachtet werden, was sich im Gewordenen wiederspiegelt.

Schon die ersten drei Buchstaben aus dem hebräischen Alphabet vertrauen uns eine große Menge an Geheimnissen an. Meine Absicht ist es hier nicht, nun alle Buchstaben des Alphabets auf die eben angewandte Art und Weise zu erläutern. Vielmehr möchte ich anhand von anschaulichen Wortbeispielen fortfahren, die Charakterzüge einzelner Buchstaben im Zusammenspiel mit anderen aufzuzeigen. Denn eine dem einzelnen Schriftzeichen gegebene Eigenschaftsreihe wird im Zusammenspiel mit anderen Buchstaben immer dynamisch, beweglich, sie bleibt nie starr und steif. Die Eigenheiten der Buchstaben dürfen, wie bereits erwähnt wurde, nie dogmatisch und einseitig angesehen und gedeutet werden, sondern mit Gefühl und Achtsamkeit sollen diverse Aspekte aufgezeigt und entdeckt werden, die eine lebendige und gewissenhafte, allen voran ernsthafte Deutung und damit einhergehend das Verstehen des Wesenhaften in unserer Sprache ermöglichen. Ich möchte mir nicht anmaßen, auch nur ansatzweise alle Facetten eines Buchstabens oder eines Wortes erfasst zu haben und hier darstellen zu können. Zuviel bleibt im Verborgenen, ist nur dem geschulten geistigen Blick sichtbar und ist der äußeren Betrachtung nicht zugänglich. Ausreichend jedoch um den Grundcharakter der Sprache in frühen Zeiten der Menschheit aufzuzeigen, sind die Eigenschaften die wir finden können allemal. Es sei hier ebenfalls von größtmöglicher Betonung und Beachtung, dass die Sprache sich im Laufe der Zeit vom Gefühl des Menschen immer weiter loslöste. So gibt es Urworte, die eindeutig sichtbar mit dem größtmöglichen Geistes- und Naturverständnis gebildet worden sein müssen und es gibt Worte und ganze Sprachen, die weit später entstanden, die kaum oder gar nicht mehr in Verbindung mit diesem Sprachgeist, dem Sprachgefühl, dem waltenden Genius standen. Wir sollten also nicht daherkommen und heute gebräuchliche, neumodische Wortkreationen auf deren geistigen Charakter hin deuten wollen. Die deutsche Sprache ist nur ein Beispiel dafür, wie das Sprachgefühl über die Jahrhunderte immer weiter in den Hintergrund getreten ist. Im Althochdeutschen oder gar im Gotischen, waren noch viel mehr Vokale und damit deutlich mehr Gefühlsbefundnisse in den Begriffen enthalten, als im heutigen Hochdeutsch. Doch darüber soll das hier Dargelegte nur nebenbei Auskunft geben. Ich versuche primär darzulegen, wie einst Laut- und Wortbildung funktioniert hat und wie sie in Zukunft wieder wirken kann, sollte ihre Sinnhaftigkeit, ihre Höhe und ihre Kraft wieder Einzug in die Tiefen der menschlichen Seele erhalten. Ein Mensch, der Sprache augenscheinlich wirklich fühlen und neue Wörter kreieren konnte, war der gute Goethe, der Begriffe wie Bildung und Weltanschauung in deren heutiger Sinngeltung formte und gangbar machte. Er fühlte die Bedeutung der Laute und war so in der Lage, Begriffe wie Welt und die Anschauung zu verbinden und zu einem Begriff zusammenzusetzen. Seine Gedichte zeugen ebenfalls von seinem wunderbaren Sprachverständnis, wie man an diesem Beispiel erahnen kann:

„Grau, grämlich, Griesgram, greulich, Gräber, grimmig, Etymologisch gleicherweise stimmig, – Verstimmen uns.“ – Johann Wolfgang von Goethe

Dass diese, für uns geniale Leistung, nur ein dumpfes Restempfinden von einem sprachbildenden Genius weit entfernter Vergangenheit ist, sollte uns freilich aufzeigen, wie hoch vergeistigt die Menschheit einst gewesen sein musste, wenn sie doch in der Lage war, ganze Sprachen erst zu erbauen.

R

Einer der Buchstaben, der für die nachfolgenden Schilderungen näher angeschaut werden soll, ist das R. Schon intuitiv fällt uns hier die Eigenschaft des Rollens, des Rollenden auf. Und tatsächlich lässt sich das R gerade durch den Wesenszug der Bewegung überaus treffend charakterisieren. In der hebräischen Sprache wird das R als ר (resch) bezeichnet. Resch bedeutet in etwa soviel wie Kopf. Der Kopf, der sich bewegen kann, der sich dreht um zu beobachten und zu schauen. Im Griechischen wurde Resch zu ρ (rho) gewandelt. Rheo bezeichnet in der griechischen Sprache das Fließende, das sich Bewegende, das Rollende. Auch Sokrates gab dem R-Laut das Merkmal der Bewegung. Die Eigenschaftsnennung der Bewegung finden wir konsequenterweise auch in den Runen wieder. Hier wurde das R als raido (ᚱ) benannt, an dessen Klang wir bereits die Verwandtschaft mit dem heutigen Begriff Reiten und dem Ritt wiedererkennen, sowie im Gotischen reda, was ebenfalls auf die dem Reiten innewohnende Eigenschaft der Fort-bewegung schließen lässt. Im heutigen Deutsch haben wir das R signifikanterweise in Wörtern wie rollen, reiten, Rad, rund, Rudel, Reibung, Rettung und so weiter.

Die wesentlichen Besonderheiten der Bewegung sollten jedoch nicht allein auf das im Außen liegende angewandt werden. Denn wir finden ebenso im Worte Ruhe das R. Hier drückt es jedoch, an erster Stelle stehend, die Bewegung nach innen aus. Das U kann hier, in seiner Eigenschaft als das sich Zusammenziehende, Zurückziehende, gut damit in Übereinstimmung gebracht werden. An diesem Beispiel wird die Eigenschaft des U sehr deutlich, der am meisten vokalische Selbstlaut zu sein. Da wo das A, wie weiter oben beschrieben, am meisten konsonantische Wesenhaftigkeit aufweist, ist das U im Grunde am meisten vokalischen Charakters. Dem H könnten wir hier ferner die Bedeutung des in sich Gehens nahelegen. Findet man zur Ruhe, atmet man in der Regel dementsprechend ruhig und beständig, man atmet sehr bewusst und gerät bisweilen an die Schwelle zum Übergang in die Welt des rein Geistigen und dies wird durch das H im Begriff Ruhe zur Geltung gebracht. Das E am Wortende zeigt den Bezug zu uns selbst geradewegs auf und deutet hier auf das konzentrierte Denken hin. Ruhe suchen sich unter anderem die Menschen, die sich andächtig hingeben wollen, die meditieren möchten. Man zieht sich zurück, begibt sich in sein Inneres, in seine Mitte zurück. Man bewegt sich geistig, findet zur Ruhe und durch das Eintreten dieser Ruhe kann der Mensch der von außen unkontrolliert herein wirkenden Gedankenströme Herr werden und seine Gedanken beharrlich kontrollieren. In der Ruhe liegt die Kraft, doch auch Ruhe kommt nur durch eine Bewegung zustande, eine Bewegung hinein ins Innere. Anhand dieser Schilderung lässt sich auch berichtigen, was heute so oft missverstanden wird. Nicht das Bewegte geht aus dem Ruhenden, sondern das Ruhende geht ursprünglich aus dem Bewegten hervor. Leben ist Bewegung, ist Werden. Doch will man dieses stetige Werden meditativ erfassen, muss man die äußere Bewegung und Beobachtung einstellen, man muss sich nach innen wenden, muss die unruhigen Gedanken zur Ruhe bringen sowie sich in Gleichmut und Achtsamkeit übend, dort verharren. Darüber lohnt es sich nachzusinnen. Kurz sei noch etwas zum Begriff Konzentration gesagt. Dieser Ausdruck bezeichnet sehr treffend diesen Vorgang. Die Vorsilbe kon- benennt immer etwas sich Zusammenziehendes. Das Zentrieren ist das Herstellen einer Art Symmetrie, das Auffinden der Mitte, der Ruhe innerhalb zweier Angelpunkte, zwischen denen fortlaufende Bewegung herrscht. Es ist ein sich in die Mitte zusammenziehendes Tun, die Kon-zent-ra-tion.

Das R ist also der Ausdruck der Bewegung, des Rollens, er ist das sich Wälzende, Drehende, das was in irgendeiner Art und Weise einen Eindruck macht. Rudolf Steiner gab in seinen Vorträgen ein ebenfalls sehr präzises Begriffsbeispiel in Form des Wortes rasch. Was ist denn rasch, was drückt es aus? Es ist etwas, was sich zügig an uns vorüberbewegt, sich an uns vorbeiwälzt oder vorüberrollt (R), was dabei eine Art Verwunderung ausruft (A) und was sehr schnell wieder vergangen ist, was sozusagen an uns vorbei gezischt ist, was wie weggeblasen ist (scH). Das Wörtchen rasch zeigt uns deutlich seinen Charakter.

 

 S, SCH

Im Wort rasch kommt nun das S beziehungsweise das SCH vor. Den S-Laut, sowie das C, haben wir noch nicht näher ins Auge gefasst und wollen das an dieser Stelle kurz und knapp nachholen.

Das stimmlose S, wie es im Worte Fass vorkommt, ist der am meisten irdische, am stärksten physische Laut. Gewissermaßen kann man ihn tatsächlich als Gegenpol zum H begreifen. Im Hebräischen ist es der Laut samech, es entspricht dort dem Zeichen des Schützen und ist auch laut Fabre d’Olivet das, was einem Ziel zustrebt. Im Sanskrit finden wir z.B. die Bezeichnung Sat, was sehen bedeutet. Ebenso wir können die Sinne anführen und das Suchen. Wir erkennen, wie in diesen Beispielen der Fokus klar im Äußeren liegt und wie etwas Zielstrebiges bezeichnet wird. In der tibetischen Sprache ist Sa die Erde. Auffällig und erstaunlich ist hierbei, dass die tibetische Hauptstadt Lha Sa heißt. Lha bedeutet Gott (das schöpferische L, das Himmlische H und das Staunende A) und so bedeutet Lha Sa = Göttliche Erde. Im indischen Lautbedeutungssystem bedeutet der Schlangenlaut S in der Tat „die Schlange“ und man kann das nachempfinden, indem man die Wortwurzel S-R-P in den verschiedenen Sprachen hernimmt. Im Indischen ist srp das Kriechen, sarpa die Schlange, im Latein bedeutet serpens die Schlange. Jedermann kennt die berühmten Serpentinenstraßen, die sich die Berge hinauf bzw. hinab schlängeln. Auch im Hebräischen finden wir saraf (Schlange) und im ägyptischen Sprachkreis gab es srrf, was ebenfalls Schlange bedeutete.

Wie unterschiedlich sich nun die Empfindungen in den verschiedenen Epochen der Menschheitsentwicklung und damit in den verschiedenen Völkern äußerten, sehen wir zum Beispiel daran, dass im Griechischen vielfach da noch ein H steht, wo im Latein bereits ein S verwendet worden ist. Das zeigt, wie das Volk der Griechen noch um ein Vielfaches mehr dem Himmlischen zugewandt war, als das Lateinische. Beispiele hierfür sind Griechisch hex, Lateinisch sex, Griechisch hepta, Latein septa. Ähnliche Beziehungen und Sinnveränderungen können wir zwischen dem Sanskrit und dem Avesta beobachten. Der im Avesta als Gottheit aufgefasste Ahura Mazdao ist steht dem Indischen Asura, einem Dunkelwesen gegenüber. Die Perser hatten, obwohl sie der Erde weit zugewandter waren, als die hochspirituellen Inder, eine weit erdflüchtigere, also H-lastigere Ausdrucksweise als das altindische Volk. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass aus dem altpersischen Ahura später das Wort Aura entstanden ist. An den eben gegebenen Beispielen, kann jedoch gut nachvollzogen werden, dass Lautwandlungen nicht starren Gesetzen folgen, sondern dass sie mit der allmählich auftretenden Änderung des Volksbewusstseins von statten gehen.

Um noch auf das SCH einzugehen sei gesagt, dass das C im Allgemeinen den Eigenschaften des G ähnlich ist, ebenso verhält es sich beim Laut K. Das C, das G und vorallem das K sind die dem H am nächsten liegenden Konsonanten. Sie bezeichnen das noch Offene oder sich wieder Öffnende. Im Hebräischen Beispielsweise wird das K in machen Worten wie CH gesprochen (siehe Jakin – gesprochen Jachin). Hier sehen und spüren wir die Zugehörigkeit zum C sowie zum H. Die Verbindung des SCH beschreibt letztlich, wie bereits betont worden ist, das Wegblasende. Daher sagt man auch, dass der Wind vorbei huscht, im Volksmund kennt man das husch-husch. Der Begriff Husch kann als eine Art kalter Windzug erklärt werden, H als der Hauch darin, das U als das Kalte und das SCH als das Hinwegblasende.

Fortsetzung folgt

Oliver Heinl Hude, den 19.09.2013

www.die-philosophie-des-lebens.de

 

13. November 2013 von Christa Jasinski
Kategorien: Sprache | 6 Kommentare

Kommentare (6)

  1. Danke schön Christa, daß Du uns diese Worte zugänglich machst. Sie sind wieder sehr erhellend geschrieben.
    Zitat:
    „Es ist der Atem, Atma, der Odem, der Hauch, hebräisch Huach (Geist, Seele, Wind, Geruch), arabisch Ruch (Geist), aramäisch Rucha (Hauch, Geist)“
    Jetzt weiß ich, was das Wort „ruch-los“ heißt. Es läßt sich als „seelen- oder geist-los“ deuten. Wir sagen oft so vieles einfach dahin und wissen das Dahinterliegende nicht.
    Ebenso das Wort „Geburt“…
    Zitat:
    „Wie bereits erwähnt ist die Silbe –bar, -bär, -bur eine alte Bezeichnung für das Tragen. Die Ge-bur-t bezeichnet entsprechend die Freilassung des Getragenen, das Verlassen der Umhüllung“
    Wenn ich mir überlege, wie oft heute dafür das Wort „Ent-Bindung“ genannt wird, wird es mir ganz anders. Die Bindung zwischen Mama und Baby soll ja weitgehend erhalten bleiben. Es wird zwar die fleischliche Nabelschnur abgebunden, aber durch das Stillen ist die erste Zeit sogar noch eine Bindung auf rein körperlicher Ebene vorhanden. Das Baby nimmt die Mama sogar in den Mund, um es mal deutlich zu sagen.
    Für mich ist „Geburt“ das eindeutigere und klarere Wort, das zu Herzen geht. Außerdem hat es als Gegenpol den Tod. Schon dafür paßt Entbindung einfach nicht.

    Liebe Grüße
    Heike

  2. Mögen alle Menschen eine gesegnete und allen voran tatsächlich besinnliche Weihnacht verbringen, fernab von all den üblichen materiellen Sorgen und Gedanken.

    Etwas, was dazu beitragen kann, möchte ich euch, aus tiefem Herzen und aus vollem Verstande empfehlen:

    „[…]Im vorliegenden Werk wurde der Versuch unternommen, sprachliche Zusammenhänge zu charakterisieren. Dabei hat der Verfasser sich den Grundbausteinen unserer Worte gewidmet – namentlich den einzelnen Buchstaben und deren leibhaftigen Sinnesinhalten. Dabei vergleicht der Autor eine Vielzahl an Begriffen unterschiedlichster Sprachen miteinander und zeichnet ein deutliches Bild der Verwandtschaft dieser Sprachen sowie der offenkundigen Erkenntnis eines geistigen Wirkens, welches Grundlage jeder Sprache und allem Sprechens überhaupt ist. So beleuchtet das vorliegende Werk einen Weg, welchen einzelne Wörter bei ihrem Werdegang genommen haben mögen, es zeigt die Werdung und Wandlung der Sprache auf und führt den Leser ein, in den dringend zu erkennenden Zusammenklang zwischen einer lebendigen Sprachwissenschaft und einer logisch nachvollziehbaren und vernünftigen Spiritualität. Dabei wird der geneigte Sprachforscher ebenso neue Einsichten erhalten, wie der christliche Theologe und jeder interessierte und offenherzige Mensch.[…]“

    http://www.epubli.de/shop/buch/Einblicke-in-das-Wesen-der-Sprache-Oliver-Heinl-9783844271058/33396

  3. wunderbarer Artikel, der unser Wesen auf Basis unserer Sprache sehr gut nachzeichnet. Darf ich den Artikel auf meinem Blog nochmals mit Nennung der Quelle veröffentlichen? Wir haben gerade begonnen, uns der Fasznation Mensch auch über die Analyse unserer Sprache zu nähern, siehe:
    Was uns unsere Sprache über unsere Ahnen verraten kann
    Viele Grüße
    Martin

  4. Ich weiß gar nicht liebe Christa, ob du die Frage jemals an mich weitergeleitet hast. 🙂 Wenn, dann habe ich es wohl vergessen. Gerne darf Martin das teilen. Ich habe das auch als vollständigen und überarbeiteten Text hier vorliegen, falls er Interesse hat.
    Herzlichst, Olli

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