Der lässige Umgang mit Worten, die auf unsere Ahnen hindeuten.

Im Sommer saß ich am Badesee unseres Dorfes und schaute ein paar Jugendlichen bei ihren Wasserspielen zu. Ich erfreute mich an ihrer Lebensfreude, die sie dabei ausstrahlten. Plötzlich hörte ich, wie einer von ihnen sagte: „Warum schaut die Oma dort drüben immer hierher?“ Ich denke, dass er diesen Ausspruch aus einem schlechten Gewissen heraus machte, denn die Jugendlichen hatten einen der Stege am Ufer gelöst, hatten ihn aufs Wasser geschoben und nutzten ihn nun wie ein Floß. Mich störte das nicht, aber ich denke, die Jungendlichen hatten mit älteren Menschen schon andere Erfahrungen gemacht.

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Weshalb ich über diese Episode überhaupt schreibe, hat mit dem Umgang des Wortes Oma zu tun. Viele persönliche Worte werden in unserer Sprache missbraucht. So werden Oma und Opa meist automatisch für ältere Menschen benutzt, egal, ob sie wirklich eine Oma oder ein Opa sind. Genauso wird häufig das Wort Mutter missbraucht. Meist ist es abfällig, wenn über eine Frau im mittleren Alter gesagt wird: „Schau Dir mal die Mutter dort drüben an!“ und kein Kind ist dabei. Da wird betitelt, katalogisiert und alles in eine Schublade gesteckt. Selbst wenn etwas positiv-kritisch gemeint ist. So lautete zum Beispiel die Überschrift eines Artikels in der „Welt“: „Deutschland wird Weltmeister im Oma-Export“. Geschrieben wurde in dem Artikel darüber, dass immer mehr alte Menschen in Altenheime nach Polen abgeschoben werden, weil es dort billiger ist als in deutschen Altenheimen. Ich finde das schlimm, aber genauso schlimm ist für mich die Bezeichnung „Oma-Export“. Alles, was ein bestimmtes Alter überschritten hat, ist anscheinend automatisch für alle Oma oder Opa.

Ich bin Oma! Und ich bin gerne Oma – aber bitte nur für meine Enkel! Wenn meine Enkel zu mir Oma sagen, geht mir das Herz auf. Dieses Wort hat ganz viel mit der Achtung für die eigenen Ahnen zu tun – und mit Liebe. Aber ich bin kein Ahne all der Menschen, die die Alten einfach als Oma oder Opa betiteln. Hier wird das Wort Oma abgewertet, denn es wird abwertend benutzt.

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Ja, ich gehöre inzwischen zu den Alten und finde das sogar schön. Ich genieße all die Freiheiten, die mir mein Leben nun bietet. Meine Kinder sind groß und benötigen keine Betreuung mehr, ich erhalte Rente und kann somit alles tun, was ich früher in dem Umfang niemals konnte, weil ich trotz großer Unabhängigkeit immer schauen musste, dass Geld herein kommt. Ich lebe nach dem Lustprinzip: Wenn ich einen Artikel schreiben möchte, dann schreibe ich einen Artikel. Wenn ich ein Gewand für einen anderen Menschen nähen möchte, dann nähe ich das Gewand – bei mir gibt es kaum noch feste Termine – außer der wöchentlichen Kolumne, die ich nach wie vor für eine kleine lokale Wochenzeitung schreibe – hier muss ich zumindest den Abgabeschluss beachten. Für mich ist es also schön, eine Alte zu sein. Aber das schönste ist es, eine Oma für meine Enkel zu sein – jedoch nur für sie! Oma und Opa gehören, wie Mama und Papa, zu den ersten Worten, die ein Kind zu sprechen lernt – egal in welcher Sprache und diese Worte haben eine wunderschöne Bedeutung.

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Wird dieses Wort lässig von anderen Menschen ausgesprochen, so hat das etwas mit einer „Entweihung“ zu tun. Wenn wir unsere Ahnen achten wollen, dann sollten wir mit den Worten, die tatsächlich unsere Ahnen bezeichnen, auch achtungsvoll umgehen.

Christa Jasinski

26. Oktober 2014 von Christa Jasinski
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