Alte Haustierrassen Teil 2

Gänse

Das Leben ist ein Gänsespiel:
Je mehr man vorwärts gehet,
Je früher kommt man an das Ziel,
Wo niemand gerne stehet.

Man sagt, die Gänse wären dumm;
O, glaubt mir nicht den Leuten:
Denn eine sieht einmal sich ‚rum,
Mich rückwärts zu bedeuten.

Ganz anders ist’s in dieser Welt,
Wo alles vorwärts drücket;
Wenn einer stolpert oder fällt,
Keine Seele rückwärts blicket.

 

Johann Wolfgang von Goethe

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Der Ausdruck „dumme Gans“ wird oft benutzt. Derjenige, der ihn schuf, hatte von Gänsen keine Ahnung! Gänse sind nämlich viel klüger als die meisten Menschen denken. Sie registrieren die kleinste Veränderung in ihrem Umfeld! Heute weiß kaum noch jemand, wie interessant ihre vielfältige Körpersprache ist und wie wachsam und drollig diese Tiere sind. Wer sich einfach mal hinsetzt und die Tiere beobachtet, der wird entdecken, dass die Sprache der Gänse sehr vielfältig ist. Jeder Laut hat eine Bedeutung im „Gespräch“ zwischen ausgewachsenen Tieren in der Gruppe und zwischen Gösseln (so nennt man die geschlüpften Gänschen), den Junggänsen, und ihren Eltern. Während ihrer Balzzeit sind die Töne zwischen den männlichen Gänsen und die der männlichen zu den weiblichen besonders vielfältig und speziell. Gänse sind Tiere, die jedes Gruppenmitglied kennen. Wenn ein Mitglieder der Gruppe zum Beispiel dem Fuchs zum Opfer fiel dann trauern sie, und das in nicht in unerheblichem Maße.

Unsere Hausgänse stammen von der wilden Graugans ab. Vor etwa 3-4000 Jahren begannen die Menschen in Europa die Wildform der Graugans zu zähmen und die anhänglichsten von ihnen wurden gezielt weiter gezüchtet. Im Laufe der Zeit verloren diese, ans Haus gewöhnten Gänse, ihre Fähigkeit zu fliegen. Sie mussten ja im Winter nicht mehr weg, weil sie einen warmen Stall und auch in der kalten Jahreszeit ausreichend Futter hatten. Grob unterteilt man Hausgänse in schwere und leichte Gänse. Trotz unterschiedlicher Rassen bei den Hausgänsen, sehen sie sich sehr ähnlich – es gibt nicht solch große Unterschiede, wie zum Beispiel bei Hühnern.

Die heutigen, neuen Gänserassen brüten ihre Eier nicht mehr aus. Das Brutverlangen wurde ihnen völlig weg gezüchtet, denn die modernen Züchtungen sollen ja möglichst viele und möglichst oft Eier legen und das machen sie nur dann, wenn sie kein Brutverlangen mehr haben. Bis Juni legen die heutigen modernen Zuchtgänse 50 bis 60 Eier. Sie wurden aus der „Deutschen Legegans“ heraus gezüchtet, eine – inzwischen vom Aussterben bedrohte – Gans, die gezielt als Legegans gezüchtet wurde. Ihr fehlt das natürliche Brutverlangen, das sowohl Wildgänse, als auch die meisten anderen der alten Hausgänsearten haben. Gänse brüten normalerweise, wie alle Vögel in Europa, im Frühjahr. 30 Tage lang brüten sie höchstens zehn bis zwölf Eier aus. In dieser Zeit bewacht der Partner das Nest und seine Gefährtin. Zum Brüten benutzen Gänse, wenn es möglich ist, jedes Jahr das gleiche Nest. Gänse lieben es, ihr Gefieder zu putzen, ausgiebig Gras zu zupfen und Zweige, Rinde und Blätter zu sammeln, damit ihre Nester noch kuscheliger werden. Sie statten es immer wieder neu aus.

Gänse sind Pflanzenfresser und ausgesprochene Weidetiere. Sie suchen sich ihr Futter am liebsten selbst. Da Gänse sich mit größeren Haustieren gut vertragen, wurden sie früher oft mit Rindern, aber auch mit Schafen auf einer Weide gehalten. Insbesondere auf Stoppelweiden ergänzen sich Gänse und Schafe in ihren Fressgewohnheiten sehr gut. Während das Schaf nur die Ähren und die Halme aufnimmt, pickt die Gans noch das einzelne Korn aus dem Boden und natürlich auch das Wildkraut. Auf diese Weise bleiben nicht zu viele unerwünschte Wildkräuter im Feld und das Feld ist für die nächste Saat gut vorbereitet.
Gänse verbringen einen Teil großen Teil des Tages damit, über das Gelände zu watscheln, Gras zu zupfen und hier und dort zu knabbern. Ihr Schnabel hat scharfe Kanten, so dass sie besonders leicht Pflanzen aus dem Boden zupfen können. Der Gänsemagen benötigt zur Verdauung Grit – das sind kleine, beim Zupfen mit aufgenommene Steinchen, die sich mit dem Mageninhalt vermengen. Gänse müssen ihr Futter unzerkleinert schlucken, weil sie keine Zähne besitzen und die Backen bzw. Backenmuskeln fehlen. Die Zerkleinerung ihres Futters beginnt also erst im Magen.

Gänse registrieren die kleinste Änderung in ihrer Umgebung! Wenn ein Fremder auf sie zukommt, oder sie ein fremdes Geräusch wahrnehmen, dann bewegen sich ihre langen Hälse langsam in die Richtung, in der es passiert. Sie verfolgen alles sehr aufmerksam und wenn sie sich bedroht fühlen, dann können sie sehr imposant mit aufgerichtetem Körper und weit aufgeschlagenen Flügeln ihr Territorium verteidigen. Gänse haben einen natürlichen Verteidigungsinstinkt, der sie zu besseren Bewachern von Haus und Hof macht, als Hunde es sind. Nicht umsonst wurden sie früher gezielt als Wachtiere gehalten. Die Flügel einer Gans haben eine enorme Kraft und können bei ihren Gegnern sogar Brüche verursachen. Hunde können von Fremden mit Fressen geködert werden, das klappt bei Gänsen niemals! Überlieferungen zufolge, waren es Gänse und nicht die auch vorhandenen Hunde, die den Konsul Marcus Manlius Capitolinus und seine Getreuen im Jahre 397v.Chr. vor dem nächtlichen Überraschungsangriff der Gallier auf die letzte Verteidigungsbastion der Römer, dem Capitol, warnten.

Öffnet man morgens den Stall, in dem die Gänse die Nacht verbrachten, stürmen sie mit spektakulärem Geschrei und hoch aufgerichtetem Körper ins Freie, als müssten sie erst einmal Feinde, die sich in der Umgebung des Stalles aufhalten, vertreiben. Innerhalb von kurzer Zeit schreiten sie die Umgebung ab, putzen sich im Teich und beginnen dann zu fressen. Gänse lieben halt ein geregeltes Leben.

Gänse sind keine Kuscheltiere und wollen, ihrer Natur entsprechend, eine gewisse räumliche Distanz zum Menschen. Sie nehmen jedoch die Menschen wahr, die sie kennen gelernt haben und beginnen sich ihnen zu nähern. Der Umgang mit ihnen ist individuell und sehr abhängig von der Kommunikation mit den Menschen. Wer Gänse halten möchte, der sollte sie über einen längeren Zeitraum beobachten und sich dabei immer wieder einmal fragen: „Warum macht die Gans das jetzt?“ Wer begonnen hat, die Gänse in ihrem Tun zu begreifen, kann zu ihnen eine Beziehung aufbauen. Dann lassen sie sogar ein Nackenkraulen zu und fressen aus der Hand. Anderen Menschen lassen sie keine Chance auch nur auf 3 Meter an sich heranzukommen. Gänse sind auf ihre Art ziemlich große Individualisten und sehr sensibel. Gänse achten auf ihre Gefährten und sind in der Lage, starke Bindungen mit ihren Partnern und ihren Jungen einzugehen. Sie verbindet ein starkes soziales Band zueinander. Ich habe gehört, dass diese Vögel sogar starke Gefühle wie Trauer empfinden, wenn einer aus ihrer „Familie“ stirbt. Es kommt vor, dass sie sich beim Tod des Partners oder der Gössel für eine Zeit aus der Gruppe zurücknehmen und für sich alleine trauern.

In der Natur schließen sich mehrere Gänsefamilien zu einer Schar zusammen und geben gegenseitig auf sich acht. Das ist eine Eigenschaft, die vor allem für Wildgänse wichtig ist. Die langen Flüge, die sie zurücklegen, funktionieren nur in einer solchen stabilen Gemeinschaft. Ein paar Tausend Kilometer schaffen die Wildgänse durch die klassische V-Formation, in der immer die müden Tiere nach hinten wechseln, um den Luftwiderstand zu verringern und das Fliegen einfacher zu machen. Wird eine Gans während des Fluges abgeschossen, bleiben einige der anderen Gänse zurück, um nach der verletzten Gans zu schauen und sie zu beschützen.

Alte Gänserassen

Emdener Gans – Diese, vom Aussterben bedrohte Gans ist die schwerste der deutschen Hausgänse und stammt aus Ostfriesland. Der Körperbau dieser weißen Gans ist sehr harmonisch, da alle Übergänge wegen des ausgesprochen langen Halses fließend sind. Aus diesem Grunde bekam sie auch die elegante Bezeichnung Schwanengans.

Diepholzer Gans – Sie stammt aus dem Raum Diepholz in Niedersachsen. Sie ist zwar nicht direkt vom Aussterben bedroht, aber gefährdet. Die Diepholzer Gans ist eine genügsame, sehr bewegliche weiße Gans und gehört zu den kleinen Gänserassen. Ihren jetzigen Namen erhielt sie erst um 1920. Ihre Art gibt es aber schon viel länger.

Pommerngans – Die Pommerngans, auch bekannt unter dem Namen Rügener Gans, ist eine sehr alte und große Gänserasse. Sie wurde vor allem im ehemaligen Pommern und an der gesamten Ostseeküste gehalten. Sie war auf großen Gütern und aber auch auf auf kleineren Höfen zu Hause. Auf der Insel Rügen war sie ebenfalls sehr beliebt, deshalb auch der Name Rügener Gans. Es gibt weiße, graue und graugescheckte Pommerngänse. Der Kopf ist kräftig,mittellang und breit. Dieses Merkmal macht die Gans erst zur Pommerngans. Die Pommerngans ansich ist eine ruhige,schwere Gans.

Böhmische Gans, auch als Tschechische Gans bekannt – Ein alter, bodenständiger Gänseschlag aus Böhmen. Die Böhmische Gans ist ein kleine, weiße Gans mit kaum mittelhoher, eher tiefer Stellung und verhältnismäßig breitem, vollem, von der Seite gesehen ovalem und feingliedrigem Körper. Sie hat ein temperamentvolles Wesen.

Elsässer Gans – Sie wurde in den kleinen Tälern des Unterelsass gezüchtet und ist eine Kreuzung zwischen der wilden Graugans und der langhalsigen Schwanengans aus China. Dabei entstand eine sehr zutrauliche Weidegans. Es gibt sie in grau und grau gescheckt.

Fränkische Landgans – Eine sehr alte und bodenständige Gänserasse. Sie war einmal entlang des Mains und an der fränkischen Saale weit verbreitet und ist eine mittelgroße und ziemlich gedrungen wirkende Landgans mit knapp mittelhohem Stand und sehr guter Beweglichkeit. Sie ist nicht reinweiß, das Grau der Wildgans, von der sie gar nicht so weit entfernt ist, schimmert durch.

Lippegans – Diese weiße Gans stammt aus Ostwestfalen-Lippe. Sie ist gute Weidegans, weil sie eine hervorragende Ausdauer bei der Futtersuche hat. Dabei ist sie robust bei Wind und Wetter und sehr widerstandsfähig gegen Krankheiten.

Leinegans – Diese Gans war im Bereich der Leine, im Oldenburger Raum und im Emsland einmal weit verbreitet. Heute ist ihr bestand sehr gefährdet. Sie ist eine wetterharte und widerstandsfähige Weidegans. Die Leinegans besitzt eine gute Beweglichkeit und Marschfähigkeit – sie läuft auch größere Strecken. Ihr Federkleid ist weiß oder gescheckt.

HPIM5832 Leinegans

Celler Gans – Eine sehr vitale und zutrauliche Gans aus der Region um Celle. Sie hat einen sehr starken Bruttrieb und legt nur wenig Eier. Die Elterntiere führen ihre Gössel bestens.

LockengänseVermutlich entstand diese Gänserasse durch eine Mutation aus gewöhnlichen Gänsen. Zuerst traten sie in Südosteuropa und am Schwarzen Meer auf. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind diese Gänse auch in Deutschland bekannt. Sie fallen durch ihre üppigen und gleichmäßig ausgebildeten, langen Lockenfedern auf, die zu beiden Seiten von Schultern und Rücken herab hängen. Es sind sehr edle Gänse. Wasser ist für die Entwicklung ihrer Locken sehr wichtig. Es sollte schon ein größerer Naturteich vorhanden sein, oder ein Bachlauf. Nicht jeder Gössel bekommt die „richtige“ Lockung – manche sind stärker gelockt, andere kaum.

Pilgrimgans – Eine mittelschwere, recht bewegliche Weidegans mit typischer Landgansform. Der Ganter ist weiß und die Gans grau gefärbt.

Diese Liste ist nicht vollständig, doch gibt sie einen guten Überblick über die alten Gänserassen. Wer sich für Gänse entscheidet, kann sich, wie bei den anderen Haustieren, bei der GEH-Geschäftsstelle, Tel. 05542/1864 oder E-Mail: info@g-e-h.de informieren.

Internet: http://www.g-e-h.de/geh/index.php

Christa Jasinski

 

 

 

 

22. September 2014 von Christa Jasinski
Kategorien: Garten/Pflanzen/Tiere | Schreibe einen Kommentar

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