Der natürliche Genießergarten

Fast immer, wenn ich mit fremden Menschen darüber spreche, dass ich möglichst aus meinem Garten leben will, kommt die Aussage, dass das doch sehr viel Arbeit bedeute. Ja, es bedeutet Arbeit, wenn man sich über die Gesetze der Natur hinweg setzt, statt zu beobachten und die Gesetze der Natur als Verbündete zu benutzen. Selektion ist nun mal die die natürliche Ordnung eines Planetenorganismus – das gilt sowohl für die Tier-, als auch für die Pflanzenwelt. Der noch natürlich bestimmte Mensch begreift das und weiß, dass es nicht gilt, gegen die Natur zu kämpfen, sondern mit ihr zu leben. Wer in unseren Breitengraden tropisches Gemüse und Früchte pflanzen und ernten möchte, dem muss klar sein, dass damit Arbeit verbunden ist – es sei denn, er schafft es, den Früchten und Gemüsesorten Bedingungen zu bereiten, die ihnen helfen, sich hier einigermaßen wohl zu fühlen. Das Gleiche gilt für all die hochgezüchteten Gemüsesorten. Man kann den Boden mittels starker Düngung dazu überlisten, diese wachsen zu lassen. Aber es gehört viel Arbeit dazu, ihnen durch Jäten der Beikräuter so viel Licht und Luft zu verschaffen, dass sie groß werden. Denn im Gegensatz zu den Beikräutern, die sich hier angepasst haben und urwüchsig sind, sind die meisten, der heute auf dem Markt befindlichen Obst- und Gemüsesorten modifiziert und auf Massenernte und Allgemeingeschmack ausgerichtet. Diese Pflanzen werden auch gerne von sogenannten „Schädlingen“ befallen. Obwohl ich die Bezeichnung „Schädlinge“ überhaupt nicht mag, denn die machen nichts anderes, als das zu beseitigen, was eigentlich nicht dahin gehört. Im Grunde sind alles Nützlinge – nur wir Menschen teilen in Schädlinge und Nützlinge ein. Wer einen Garten hat, der weiß, dass Schnecken mit Vorliebe junge Gemüsepflanzen fressen – Gemüsepflanzen, die hochgezüchtet wurden und für die wir mühevoll den Boden vorbereitet haben. Die Schnecken fressen sie jedoch, weil sie instinktiv wissen, dass diese Pflanzen nicht mit ihrer Umgebung kompatibel sind. An Pflanzen, die an ihre Umgebung angepasst sind, gehen sie nicht heran.

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Es gibt einen Trick modifizierte Pflanzen wieder ursprünglich werden zu lassen: Sie unbeschnitten wachsen und Samen hervor bringen zu lassen. Wenn man diese dann auch noch von selber aussäen lässt, dann bringen sie letztendlich wieder urwüchsigen Samen und Triebe hervor, die wir dann kultivieren können. So ist eine Selbstaussaat etwa nach 3 bis 4 Jahren wieder widerstandsfähig und ursprünglich. Also nicht Samen sammeln und neu vorziehen, sondern im Garten verrotten lassen und auf Neuwachstum warten. Das geht zwar nicht mit allen modifizierten Pflanzen, aber mit vielen. Auch die Tomaten im Treibhaus im Boden verfaulen lassen – die, die wieder aufgehen, sind schon stabiler. Ich habe dabei festgestellt, dass selbst die Schnecken an die, von selbst ausgesäten, Pflanzen kaum noch heran gehen.

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Als ich über meine Beobachtungen einem Freund erzählte, der seit vielen Jahren biologisches Gemüse anbaut und der sich dabei strikt nach dem Mondkalender richtet, antwortete er mir: „Irgendwie entspricht mir diese Form des Anbaus, aber wie sieht es dabei mit dem Mondkalender aus?“

Wer sagt denn den Pflanzen, die sich in der freien Natur von selbst aussäen, etwas über den Mondkalender? Die unberührte Natur wächst und gedeiht, ohne je etwas von einem Mondkalender gehört zu haben. Ich denke, dass diese Samen, dadurch, dass sie das ganze Jahr über alle Mond- und Sterneneinflüsse mitbekommen, ganz automatisch die richtige Zeit zum Keimen finden. Der Mondkalender ist sicher eine gute Sache und ich habe mich auch über viele Jahre danach gerichtet. Mit der Zeit wurde mir jedoch bewusst, dass man nicht grundsätzlich alles über einen Kamm scheren kann. Es gibt Menschen, die zum Beispiel auf den Vollmond äußerst empfindlich reagieren und dabei schlecht schlafen. Andererseits gibt es Menschen, die sich zur Zeit des Vollmonds ausgesprochen wohl fühlen und sehr gut schlafen – ich gehöre zu ihnen. Inzwischen denke ich, dass unsere Reaktionen auf den Mond individuell sind und nicht kollektiv festgelegt werden können. Natürlich reagieren wir auf den Mond. Doch jeder Mensch reagiert anders auf Mondstellungen und auf Sternenkonstellationen. Wir sollten lernen, sie aus einem inneren Gespür heraus zu behandeln und nicht nach aufgestellten Normen. Wenn in mir meine Mondphase am Stärksten kreatürlich ist, muss diese bei meinem Nachbarn noch lange nicht so sein.

Aber zurück zu den Pflanzen. Ich denke, dass auch sie viel besser von selber wissen, wann ihre Zeit gekommen ist. Wir Menschen haben viel zu lange stark nach unseren Vor-stellungen in die Natur eingegriffen, anstatt sie zu beobachten und uns nach diesen Beobachtungen zu richten.

Vor Kurzem las ich folgende malerische Beschreibung einer Szene in einem uralten Garten: Neben der alten Gartenbank aus verwittertem Sandstein hat sich Frauenmantel ausgesät und erobert das bislang unbewohnte Plätzchen im Garten: Die silbrig grünen, anfangs fein säuberlich gefalteten Fächer der Blätter kriechen aus der schmalen Ritze zwischen dem Erdboden und dem Fuß der Bank. Die duftigen Blüten schwappen im Sommer wie Schaum auf die raue Sitzfläche.

Das hört sich schön an, oder? In unseren heutigen Gärten findet man solche Stilleben kaum noch. Dabei ist es so einfach: Weniger eingreifen – zum Beispiel beim Unkraut zupfen! Wäre die Ritze am Fuß der Gartenbank immer peinlich sauber gejätet worden, dann wäre das schöne Bild mit dem Frauenmantel nie zustande gekommen. Die meisten Menschen haben Angst, dass Löwenzahn und Franzosenkraut den Garten innerhalb kurzen Zeit überwuchern. Natürlich gibt es Wildpflanzen, die urwüchsiger sind, als andere und hier darf man ruhig auch mal eingreifen. Wir sollten nur genauer hinschauen beim Unkraut zupfen und unseren Blick schulen für all das, was wir vielleicht ausreißen und das eigentlich dort gewachsen ist, um uns dabei zu unterstützen, einen Artenreichen Garten zu erhalten, in dem sich auch viele ursprüngliche Gemüsearten wohl fühlen. Am besten ist es, den Sämlingen ein bisschen Zeit zum Entwickeln zu lassen und später zu sehen, ob sie mit den anderen Pflanzen im Beet harmonieren oder ob sie zu dominant werden und unsere Nahrungspflanzen zu überwuchern drohen. Ein vorsichtiges Eingreifen ist am Anfang sinnvoll, weil sich unsere Gemüsepflanzen ja noch nicht akklimatisiert haben.

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Wichtig finde ich auch, dass wir unsere Essensgewohnheiten etwas verändern – hin zu mehr Wildpflanzen, die oft besser schmecken, als wir denken. Das soll nicht heißen, dass wir auf gezüchtete Gemüsesorten völlig verzichten sollen. Ich liebe zum Beispiel Stangenbohnen und mache mir auch die Arbeit Jahr für Jahr ein kleines Stück Erde dafür vorzubereiten, um sie setzen zu können. Jeder sollte selber entscheiden, wie viel Arbeit er in die Aufzucht von bestimmten Pflanzen steckt. Insgesamt gesehen sollte der Garten jedoch noch reichlich Zeit für Muße lassen. Ich mag kein Sklave meines Gartens sein, sondern ihn genießen können.

Hier ein paar Seiten auf denen man alte Obst- und Gemüsesorten findet, die sich leicht von selber im Garten aussäen.

http://www.urgemuese.de/

http://www.bio-gaertner.de/Bezugsquellen/Biopflanzen-Bio-Gaertnereien-oekologische-Praeparate-Alte-Gemuesesorten

http://www.wie-aus-omas-garten.de/home.html

Christa Jasinski

 

14. August 2014 von Christa Jasinski
Kategorien: Garten/Pflanzen/Tiere | Schreibe einen Kommentar

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