Wir werden alle als „Suckers“ geboren

(Suckers kommt aus dem Englischen und bedeutet Sauger – Einsauger)

Wir kommen alle als ‘Suckers’ zur Welt. Wir nehmen Energie und Nahrung auf von unserer Mutter. In den ersten Jahren unseres Lebens sind wir hundertprozentig angewiesen auf die Unterstützung unserer Eltern. Auch in der Kindheit sind wir ganz und gar auf empfangen eingestellt. Nahrung, Liebe, Versorgung, Unterkunft, Kleidung, Entertainment, Coaching bekommen wir von unseren Eltern geschenkt. Sogar in der Pubertät leben wir noch auf die Kosten und die Energie unserer Eltern und Lehrer. So ist das Leben nun mal gestrickt. Wenn es gut ist, wird diese empfangende Lebenshaltung allmählich balanciert durch unsere zunehmende Fähigkeit zum Geben. Zum Beispiel: gegen die Zeit, dass wir erwachsen werden, können wir anfangen für unseren Lebensunterhalt zu arbeiten. So liefern wir einen Beitrag an das Ganze aus dem wir hervorgegangen sind. Wenn wir dann auch noch geistig Erwachsen werden, können wir immer mehr für unseren Mitmenschen, Mittiere und Mitpflanzen bedeuten.

Der Übergang vom Nehmen zum Geben verläuft jedoch in den meisten Fällen nicht einwandfrei. Meistens gelingt dieser Übergang nur teilweise. Viele Menschen üben ja einen Beruf aus, der sich überwiegend auf dem Prinzip des ‚Suckens’ basiert. Die Ausbeutung der Erde, die Ausbeutung der Ozeane, die Ausbeutung der Regenwälder, die Ausbeutung unserer Mitmenschen, die Ausbeutung von Tieren und Pflanzen belegen dieses Fakt. Dieses vornehmlich orientiert sein auf eigenen materiellen Gewinn, können wir verstehen – und sollten wir verstehen – als die Fortsetzung unserer angeborenen Gewohnheit von der Energie anderer zu leben. Dieses angeborene ‚suckende’ Verhalten setzt sich von Natur aus fort, so lange wir in einem kindlichen, unbewussten, geistig unerwachsenen Bewusstseinszustand leben. Das ausbeutende Benehmen sollte verstanden werden als ein Kennzeichen geistiger Unerwachsenheit. Geistige Unerwachsenheit bedeutet per Definition, dass wir geistig, also emotional und intellektuell, noch in einem kindlichen Stadium stecken.

Die kindlichen und auch jugendlichen Bewusstseinszustände kennzeichnen sich durch eine Unwissendheit über die Essenz des Lebens. Von Natur aus hat man in den ersten Lebensphasen noch keine holistische Einsicht ins Leben entwickeln können. Man nimmt die Wirklichkeit noch ausschließlich mit den Sinnen wahr. Für ein Baby sind sinnliche Eindrücke – die Erfahrung sichtbarer, hörbarer, tastbarer, schmeckbarer und riechbarer Aspekte der Wirklichkeit – alles was sein Bewusstsein füllt. Diese sinnliche Erfahrung der Wirklichkeit in unseren Kinderjahren, wird in späteren Lebenszeiten die selbstverständliche Basis einer materialistischen Sichtweise auf das Leben. Der Materialismus, als philosophische Strömung, hat sich dann auch etabliert als offizielles Weltbild, worin auf Schulen und Universitäten ‚Wissenschaft’ unterrichtet wird. Materialismus geht davon aus, dass Materie und Energie die gesamte Wirklichkeit darstellen. Es stellt sich nicht die auf der Hand liegende Frage, wo all diese Energie und Materie herkommen.

Das materialistische Weltbild ist also ein Ausdruck der Unwissendheit über die ewige und universale Gegebenheit, dass Materie sekundär ist und dass Bewusstsein primär ist. Materialismus ignoriert und verneint die Existenz von Bewusstsein an sich, und spekuliert, dass Bewusstsein ein Produkt der Aktivität unseres Gehirns ist. Die moderne Wissenschaft kann deshalb noch immer nicht fassen, dass wir Bewusstsein sind, und dass wir ein Körper-Geist System haben.

So lange ein Mensch gefangen bleibt in der sinnlichen (materiellen) Erfahrung der Wirklichkeit, denkt er abgetrennt von der Ganzheit zu sein. Man hat dann automatisch den Eindruck, dass man ein separates Ego ist, das ständig dafür sorgen muss, dass es nicht zu kurz kommt. Dazu gehört auch, dass man fühlt, dass man kämpfen muss für sein Überleben. Man sieht sich umgeben von Mitbewerbern um Nahrung, Unterkunft und Wohlstand. So lange dieser Eindruck vorherrscht, bleibt der Mensch vornehmlich ein ‚Sucker’. Wir können mit Sicherheit feststellen, dass diese ‚suckende’ Einstellung der dominierende Faktor ist, der das Weltgeschehen und die Welt-Strukturen bis auf den heutigen Tag gestaltet hat. Der Wohlstand der westlichen Welt basiert sich ja auf dem Ausbeuten der natürlichen Ressourcen (Öl, Gas, Metalle, Mineralien, Waldprodukten, Fischfang Produkten, Bio-Industrie, etc.). Man hat berechnet, dass wenn die ganze Menschheit die Erde so ausmelken würde, wie die westlichen Länder das tun, wir fünf ‚Erden’ bräuchten. Weiter kommt die ‚suckende’ Haltung der westliche Welt zum Ausdruck in der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in den Dritte-Welt-Ländern. Die ‚suckende’ Haltung kommt außerdem zum Ausdruck in den übermäßigen Steuerhebungen durch die Regierungen der meisten Länder, und im System von Zinseszins (zusammengestellte Zinsen), das überall von Banken hantiert wird, und das sogar Staaten in den Bankrott treiben kann. Schließlich sehen wir die Anwesendheit des ‚Suckens’ in den viele Formen von Abzockerei die wir auf vielen Gebieten des Kommerzes begegnen können. All diese Formen von Ausbeutung eines Teils der Bevölkerung von einem anderen Teil der Bevölkerung, sind ein automatischer Nebeneffekt des materialistischen Weltbildes, dem die Menschheit in seiner geistigen Unerwachsenheit bis auf heute überwiegend anhängt.

Im Gegensatz dazu, beinhaltet geistige Erwachsenheit, dass wir Einsicht bekommen in die Natur unseres eigenen Bewusstseins. Geistige Erwachsenheit steht für intellektuelle und emotionelle Reife. Wenn Herz und Verstand gereift sind, sehen wir die Wirklichkeit so wie sie ist: eine Manifestation des ewigen und unveränderlichen, abstrakten und bewussten Seins. Dann sehen wir spontan ein – wie die Mystiker aus Ost und West immer behauptet haben – dass Bewusstsein die Quelle und Essenz ist von allem und jedem. Also auch von uns! Erst wenn wir die auf sich Selbst stehende, und in sich Selbst erfüllte Qualität unseres eigenen Bewusstseins realisiert haben, fühlen wir uns erfüllt und geborgen in uns Selbst. Hierzu ist also ein erhöhter Zustand von Bewusstsein erforderlich, der nicht bei allen Menschen automatisch auftritt wenn sie älter werden. Während unserer Erziehung sollten wir darauf aufmerksam gemacht werden, dass Materie und Energie keine auf sich selbst stehenden Sachen sind, sondern einen Ursprung haben. Uns soll von Kind ab an klar gemacht werden, dass die Quelle aller Energie und Materie das selbstbewusste ‚Sein’ ist, das in Interaktion mit sich Selbst die manifeste Schöpfung hervorbringt.

Wenn wir uns täglich auf diese tiefe und universale Gegebenheit besinnen, reift unser Gefühl und unserVerstand, und wir lernen die Wahrheit dieser Gegebenheit immer mehr einzusehen. So findet eine Bewusstseinserweiterung statt, die unser Herz und unser Verstand öffnet für Bewusstsein an sich – die Essenz von allem und jedem. So erweitert unser Bewusstsein sich auf ein universales Niveau, worauf wir spontan einsehen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Auf der Basis dieses erweiterten Bewusstseinszustandes wird unser Verhalten automatisch umgeformt von vornehmlich Empfangen, zu einem erwachsenen Gleichgewicht zwischen Nehmen und Geben. Die gesellschaftlichen Strömungen die sich stark machen für erneuerbare Energieversorgung, für internationalen fair Trade, für Abschaffung der Massenhaltung in der Landwirtschaft, für den Erhalt von Regenwäldern, für das Beenden der Überbefischung unserer Ozeane, für die Aufrechterhaltung der Bio-Diversität, etc., sind Ausdrücke dieses ausgebreiteten Bewusstseins. Bewusstsein ist nun mal die Basis all unseres Denkens, Fühlens, Sprechens und Handelns. Menschen die sich innerlich begrenzt und unbefriedigt fühlen, werden immer als Ersatz für den natürlichen Zustand innerlicher Erfüllung, Energie, Aufmerksamkeit und Materie aus der Außenwelt aufsaugen wollen. Menschen die sich innerlich unbegrenzt und universal fühlen, liefern automatisch einen nährenden und befreienden Beitrag an die im materialistischen Weltbild gefangene Menschheit.

Im Idealfall wird der Mensch in seiner Erziehung so sehr mit Liebe und Weisheit gefüttert – also mit adäquater Einsicht in die Wirklichkeit – dass man innerlich erfüllt ist um etwa die Zeit des körperlichen Erwachsenwerdens. Das Wachstum zur geistigen Erwachsenheit sollte natürlicherweise parallel laufen mit dem Wachstum nach körperlicher Erwachsenheit. Will sich dieser natürliche Vorgang tatsächlich durchsetzen, dann sollten wir die vielen Faktoren, die unserer geistigen Erwachsenheit im Wege stehen tiefgehend analysieren und sie allmählich beseitigen. In Wirklichkeit ist es gar nicht schwierig unsere Gesellschaft aufzubauen auf der Basis von lebensfördernder Prinzipien: dafür ist nur ein erweitertes Bewusstsein nötig. Glücklicherweise sieht es danach aus, dass die Menschheit momentan in einem Prozess der Bewusstseinserweiterung ist, wodurch universale Denk- und Handelsweisen möglich werden.

Falls unsere Eltern und unsere Lehrern uns nicht genügend Liebe und Weisheit vorgelebt und uns nicht genügend Einsicht in die Wirklichkeit gegeben haben, können wir auch jetzt noch selber dafür sorgen! Wir können täglich Nahrung für die Seele zu uns nehmen. Diese finden wir in täglichen Stille-Übungen, in denen wir unsere Aufmerksamkeit in Richtung Quelle unserer Gedanken fließen lassen. Auch in der Literatur mit adäquatem Wissen über das Leben und die Wirklichkeit – Weisheits-Bücher – finden wir die Nährstoffe die wir bewusst oder unbewusst in unserer Erziehung vermisst haben. So können wir täglich für die lebensfördernde Erweiterung unseres Bewusstseins sorgen. Auf diese Weise können wir die ‚suckenden’ Elemente in unserem Funktionieren langsam aber sicher aus unserem Leben eliminieren. Sobald wir realisieren, dass wir selbst verantwortlich sind für die Kondition unseres Bewusstseins, dann hören wir auf anderen die Schuld zu geben für die Mängel die wir eventuell in unserer Erziehung erlitten haben. Dann können wir effizient an der innerlichen Erfüllung die unser Geburtsrecht ist arbeiten. Je mehr unsere innerliche Erfüllung zunimmt, desto mehr erfahren wir, dass wir für die geistige Entwicklung der Menschheit spontan unser Beitrag beisteuern.

Der große Vorteil eines Gleichgewicht im Nehmen und Geben, verglichen mit einer ‚suckenden’ Lebenshaltung, kommt schön zum Ausdruck in einer nette Anekdote:

Ein soeben Verstorbener bekommt eine Führung durch Himmel und Hölle. Zuerst wird der Hölle ein Besuch abgestattet. Dort sah er zahlreiche Menschen an langen Tafeln sitzen, die alle gedeckt waren mit den herrlichsten Speisen. Es überraschte ihn daher zu sehen, dass alle mager und todunglücklich waren! Als er besser schaute, konnte er die Ursache erkennen: ihre Unterarme waren alle dermaßen lang, dass immer wenn sie Essen zu sich nehmen wollten, ihre Hand weit vorbei an ihrem Mund reichte!! Welch ein schreckliches Schicksal, dachte er bei sich selbst, und bat seinen Begleiter ihn schnell zum Himmel zu führen. Dort angekommen sah er zu seinem Erstaunen, dass auch hier die Menschen solche langen Unterarme hatten! Hier jedoch waren sie gut genährt, hatten jede Menge Freude und waren strahlend glücklich! Auch hier saß man an langen Tafeln die gedeckt waren mit herrlichen Speisen. Er konnte das eine und das andere nicht mit einander in Einklang bringen und war perplex. Als er jedoch aufmerksam zuschaute, sah er dass die Menschen hier eine Lösung gefunden hatten für das Lange-Arme-Problem: Menschen die neben einander am Tisch saßen, reichten einander das Essen in den Mund! ‚Eureka’, dachte er bei sich selbst und realisierte sich auf der Stelle wie klein eigentlich der Unterschied, zwischen dem kreieren einer Hölle auf Erden und dem kreieren eines Himmels auf Erden ist!

Zusammenfassend können wir sagen, dass die materialistische Sichtweise eine kindliche Sichtweise ist, während die holistische Sichtweise eine erwachsene Sichtweise ist. Es ist auf eine einfache Formel zu bringen: Geistige Unerwachsenheit = kindliche Sichtweise = auf Sinnen basierte Interpretation der Wirklichkeit = Egozentrismus = Hölle auf Erden. Geistige Erwachsenheit = Einsicht in die Wirklichkeit = ganzheitliche Interpretation der Wirklichkeit = Gleichgewicht zwischen Egoismus und Altruismus = Himmel auf Erden.
So einfach ist das!

 

© Drs. Frans Langenkamp Ph.D. Anthropologe und Vedanta Experte. Augustus 2010. www.selfrealisation.net

 

02. Oktober 2013 von Christa Jasinski
Kategorien: Geistiges | 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. …müssen aber nicht als „suckers“ leben.
    Sehr gut geschrieben, lieber Frans.

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