Latein

Immer wieder lese ich die Behauptung, dass Latein die Grundlage für alle romanischen Sprachen sei. Das ist eine ganz bewusst gesteuerte Lüge, die jeder sofort entlarven kann, der sich mit dem Ursprung des Lateinischen beschäftigt. Latein trat nämlich zum ersten Mal frühestens 1000 v. Chr. auf – viele geschichtliche Unterlagen gehen sogar davon aus, dass es noch später war (600. v. Chr.) Vorher sprachen die Südländer auch schon ihre romanischen Sprachen. Wie kann also Latein die Grundlage dieser Sprachen sein?

 Irgendwann zwischen 1000 und 600 v. Chr. kamen an der Küste, wo das heutige Rom liegt, eine kleine Gruppe von Menschen an: die Latiner. Sie gründeten dort eine latinische Siedlung: „Alba Longa“. Diese Siedlung gilt als Ausgangspunkt der Stadt Rom.

 Woher die Latiner plötzlich auftauchten, kann heute kein Geschichtsforscher sagen. Es gibt sehr viele Spekulationen darüber, die sich teilweise sogar widersprechen. Ganz schnell unterwarf diese Gruppe alle umliegenden Stämme im Bereich des unteren Tiber. Bis 600 v. Chr. war Rom nicht viel mehr als ein großes Dorf. Wer die Stadt Rom letztendlich gründete, darüber gehen die Meinungen auseinander. Vieles deutet darauf hin, dass sie von den Latinern gegründet wurde, was in der Sage so dargestellt wird, dass „Latinus“, der namensgebende Heros, der Vater Lavinias war, deren Sohn mit Aeneas der Vorfahr von Romulus und Remus war.
Der Aufstieg von Rom war ab da ungebrochen. Es gab vorher keine „Römer“, wie wir sie heute bezeichnen. Die „Römer“ waren niemals das Heer der ursprünglich im italienischen Raum ansässigen Völker, wie die Etrusker, die Sabiner, Osker, oder Umbrer, die bis dahin friedlich dort lebten. Das „römisches Volk“ ist eine reine Erfindung. Das, was wir als „die Römer“ bezeichnen, war das, von einer Elite aus dem Boden gestampfte, Söldnerheer samt ihrer Verwaltung mit Sitz in der, aus dem Boden gestampften, Stadt Rom.

 Man stelle sich einmal vor: Eine kleine Gruppe von Menschen (keiner weiß, woher sie kamen) hat unvorstellbar große finanzielle Mittel, so dass sie innerhalb kürzester Zeit die umliegenden Stämme unterwerfen, eine Stadt aus dem Boden stampfen und ein riesiges Söldnerheer aufbauen können, das in der Lage ist, fast ganz Europa zu unterwerfen.

 Da stelle ich mir einige Fragen:

Woher hatten sie die dafür nötigen finanziellen Mittel? Wie kann eine kleine Gruppe von Menschen, die nicht einmal in diese Region gehörte, so schnell alle umliegenden Stämme unterwerfen? Woher hatten sie all die strategischen Kenntnisse, das alles zu schaffen?

 Diese Fragen lassen für mich nur einen Schluss zu: Diese Gruppe wurde von dem Menschen ins Leben gerufen und ausgebildet, den Anastasia als den Oberpriester bezeichnet – der, der inzwischen erheblich schneller dachte, als der Rest der Bevölkerung. Die Bevölkerung konnte auf diese Menschen nur noch agieren.


Die Latiner führten auch eine neue Sprache ein: das Latein. Niemand hatte bis dahin in dieser Sprache gesprochen und es war niemals eine Muttersprache. Latein ist eine künstlich aufgebaute, strategische Sprache, die alle Sprachen der unterworfenen Völker unterwandern sollte. Vor allem war es eine Militärsprache, die ganz klar strukturiert ist. Sie ist logisch durchgeformt bis in die kleinsten Bestandteile der Sprache hinein. Gefühle haben in dieser Sprache nichts verloren.

Auch die soziologischen Gegebenheiten der Römer werden in der lateinischen Sprache sichtbar. Die römische Gesellschaft war vom Mann bestimmt und deshalb gibt es im Lateinischen kein einziges Wort für Mädchen: Puer bedeutet der Junge und puella das Mädchen (was sich aus puerla herleitet und eigentlich Jüngin heißt). Genauso ist es mit Sohn (filius) und Tochter (filia) – eigentlich Söhnin. Von den Griechen übernahmen die Römer das Alphabet. Dabei sind sich die Wissenschaftler nicht einig, ob die Römer die griechischen Buchstaben unmittelbar von den Griechen übernahmen, oder ob sie die Buchstaben von den Etruskern aufnahmen.

Fakt ist, Latein wurde sehr schnell die Amtssprache von Latium und Stadtrom (ablesbar an einer Inschrift um 600 v. Chr. „Manios med fefhaked Numasioi“= klassisches Latein „Manius me fecit Numerio“ = dt. „Manius hat mich gemacht für Numerius“).

Latein wurde jedoch nie die Sprache des einfachen Volkes – die Menschen zogen außerhalb offizieller Gegebenheiten ihre Muttersprache vor. Das Militär, die Oberklasse, die Politiker und die Wissenschaftler übernahmen das Lateinische. Lateinische Sprachkenntnisse wurden als ein Zeichen von Wissen und Können dargestellt. Daher stammt auch das Sprichwort: „Ich bin mit meinem Latein am Ende!“ War jemand mit seinem Latein am Ende, wusste selbst ein sehr gebildeter Mensch nicht mehr weiter.

Die römische Armee tat jedoch alles, um die lateinische Sprache zu verbreiten. Und so ersetzten im Laufe der Zeit immer mehr lateinische Worte die ursprünglichen Worte der einzelnen Muttersprachen. Auf diese Weise haben im Laufe der Jahrhunderte in allen Sprachen der Erde immer mehr lateinische Begriffe die ursprünglichen Begriffe verdrängt. Sie wurden in die Sprachen eingefügt, als seien sie immer schon Bestandteile dieser Sprachen gewesen – man spricht bei uns davon, dass sie „eingedeutscht“ wurden.

In einer Geschichte, die ich in einem Artikel der März-Ausgabe 2009 des GartenWEden über die Sprachveränderungen schrieb (Worte und Klarheit), sagte ich, dass den lateinischen Worten die Liebe fehle. Und wer sich einmal die Mühe macht, Worte aus unserer Muttersprache (auch aus anderen als der deutschen) mit den lateinischen Worten ähnlicher Bedeutung zu vergleichen, der wird die Unterschiede sehr schnell feststellen. So sprachen wir früher von Nächstenliebe, wofür heute das Wort sozial benutzt wird. Aus einem Volk machte man Staaten, aus einem Mitmenschen einen Mitbürger, statt einen Menschen zu achten, sollen wir ihn nur noch respektieren usw…

Die Begriffe lateinischen Ursprungs sind inzwischen derartig in unsere Sprache eingeflossen, dass wir es kaum noch merken. Auch mir passiert es immer wieder, dass ich lateinische Begriffe benutze, statt die Worte, die schon unsere Ahnen sprachen und der die ganzen Gefühle unserer Ahnen unterliegen.

Das ist Grund genug, verstärkt wieder auf unsere Muttersprache zu achten.

Christa Jasinski

03. Juli 2013 von Christa Jasinski
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