Reale Welt, oder vielleicht doch Satire?

Willi

 

Das ist Poesie der Bürokraten: José Manuel Barroso und Edmund Stoiber haben das Vermächtnis der scheidenden EU-Kommission vorgelegt. Unter dem Titel „Die fünf größten Errungenschaften der EU-Kommission“ wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht. Wer am Ende des Textes noch weiß, was drinnen steht, der hat einen Orden verdient.

Vorab muss ich gestehen, dass ich den Artikel nur quer gelesen habe, und das auch zunehmend großzügig. Allerdings werde ich ihn speichern – als Einschlafhilfe. Damit Sie wissen, was ich meine, zitiere ich aus diesem »Vermächtnis«:

„Gleich zu Beginn meiner ersten Amtszeit habe ich die intelligente Regulierung zu einer zentralen Priorität der Kommission erklärt.” Alles klar?

Diese Pressemitteilung enthält Wortschöpfungen, die ganz bestimmt für eine gewisse Qualität bürgen: „EU-Bürokratieabbauprozessfolgenabschätzungsempfehlungsgruppe“. Da muss man doch glatt zufügen, dass es sich hier nicht um Satire handelt. Jetzt verstehe ich auch, was in Brüssel los ist. Da dort die »geistige Schräglage« 15% überschreitet, durfte anscheinend seit Jahren kein geistiger Dünger mehr ausgebracht werden und es wurde eine Hirn-Stillegung angeordnet.

Aber zum Glück gibt es in der menschlichen Psyche so etwas wie Ironie. Kein Satiriker oder Komiker könnte bessere Drehbücher schreiben, als die Top-Führungskräfte in Brüssel!

Die Zusammenfassung der Äußerungen Stoibers und Barrosos ist eigentlich ganz einfach: „Ihre Absicht war primär, die komplexe Totalität gesamtgesellschaftlicher Systembezüge in heterogener Partizipierung maximal evident zu machen!“ Das ist ihnen voll und ganz gelungen. Klarer und einfacher kann man es doch gar nicht formulieren, oder? Man sollte am Eingang von Brüssel ein Plakat aufhängen mit dem Text: „Sie verstehen etwas von Chaos-Theorie, wir beherrschen die Praxis!“

Ich war einige Jahre in der Wissenschaft tätig, musste dann aber leider ausscheiden, da ich den Kurs: „»Praktische rhetorische Übungen in verbaler Schaumschlägerei« nicht bestanden habe. Ich bin heute noch traumatisiert. Trotzdem gilt mein Dank meinem Psychiater für seine jahrelangen vergeblichen Bemühungen.

Die Sprache der EU erinnert doch sehr an Aussagen, die einmal Erich Honecker hervorragend beherrschte: „Die angestrebte Verringerung der Verwaltungslasten um 25 % in dreizehn Bereichen, denen im EU-Programm zur Verringerung der Verwaltungslasten Vorrang eingeräumt wurde, wurde überschritten.” Geht es hier etwa um eine Übererfüllung des Sieben-Jahres-Planes? Erinnerungen an die DDR und an die Zeiten der Sowjetunion klingen an, gemischt mit einer Note „Rom“. Dieser UN-GEIST lässt sich in der verquasten Sprache einfach nicht verbergen.

Ich kenne viele Probleme, die die EU geschaffen hat, aber ich kenne tatsächlich keines, das sie gelöst hat. Darüber helfen solche nichtssagenden Aussagen auch nicht hinweg. Und mit was sich diese Experten alles beschäftigen! Erst will die EU Brettljausen abschaffen, krumme Gurken, Salzstangerln, das Wort Marmelade, Kellnerinnen-Dekolletés (ohje – die Wies’n), und jetzt geht man auch noch an die Kinderbuchklassiker dran! Unter dem Titel: „Jetzt hat es Brüssel auf die «Fünf Freunde» abgesehen!“, berichtet die Daily Mail, das Europäische Parlament wolle Kinderliteratur mit veralteten Rollenklischees aus dem Verkehr ziehen.

Demnach will die Europäische Union Unterrichtsmaterialien abschaffen, die Schülern ein traditionelles Rollenverständnis der Geschlechter vermitteln und auch echte Klassiker sind gefährdet: Enid Blytons «Peter Pan» und «Paddington Bear» könnten dann ebenso gestrichen werden wie Astrid Lindgrens «Pippi Langstrumpf». Und auch in «Wir Kinder aus Bullerbü» bauen schlimme Buben Baumhäuser, während die braven Mädchen mit Puppen spielen.

Was mit den Büchern passieren soll, geht aus dem Entwurf noch nicht eindeutig hervor. Vielleicht kommt ja eine offizielle Kinderbücher-Verbrennung, um mit den, nach Gendermeinung althergebrachten, Rollenverteilungen endgültig abzuschießen?

Der Diskriminierungsteufel steckt fast überall, auch Tiergeschichten sind vor ihm nicht sicher. Man hat nämlich festgestellt, dass in den Märchen viel mehr männliche, als weibliche Tiere vorkommen, was natürlich nach Gendervorgaben nicht geht. Und wenn man danach geht, gehören «Die Schatzzinsel» und Robinson Crusoe unbedingt dazu, denn darin kommen überhaupt keine Frauen vor. Zudem gehören auch alle anderen Schriftwerke auf politische Gender-Korrektheit überprüft und entsprechend entschärft: Othello, der Mitbürger etwas südlicheren Teints von Venedig oder die «Lustigen weiblichen Mitbürgerinnen von Windsor». Kommt morgen Wilhelm Busch an die Reihe und nächste Woche Goethe und Schiller? Vielleicht sollte man damit beginnen, als erstes die Bibel umzuschreiben, denn die ist alles andere als geschlechtsneutral!

Grundsätzlich würde ja eine Modernisierung den Kinderbüchern gut tun. Zum Beispiel Rotkäppchen könnte man so formulieren, dass der böse Wolf ein EU Kommissar wäre! Ich finde wir sollten schleunigst dafür einen Antrag an die EU stellen, schließlich müssen die Kommissionen und Ausschüsse ja beschäftigt werden!

Und was machen einstweilen die Kinder? Sie lesen die Bücher so, wie sie ihnen gefallen. Ein Mädchen, das Lindgrens Annika nicht mag, hält sich halt an Pippi, oder identifiziert sich einfach mit den Buben. Wer allen Ernstes glaubt, dass Kinder sich durch die Lektüre Peter Pans von der häuslichen Wendy maßgeblich beeinflussen lassen, und nicht etwa von dem, was ihre Eltern und die übrigen Menschen um sie herum tagtäglich tun, braucht weniger einen Kurs in Politik als vielmehr in Psychologie. Am Einfachsten ist es eh‘ wenn unsere Kinder direkt in der Natur lesen.

 

Euer Willi

 

 

26. Oktober 2014 von Christa Jasinski
Kategorien: Satire | 1 Kommentar

1 Kommentar

  1. Schön, wieder was von Willi zu lesen.
    … und da fällt einem doch ein: Georg Schramms Ausführungen zur Herrschaftssprache.

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