Wachstum? Oder besser nicht?

Willi

Pflanzen wachsen, Bäume wachsen, Zahlen wachsen, Fingernägel wachsen, das Universum schwillt an – alles wächst! Wo viel war, muss mehr werden, und dann aber noch mehr! Wo Geld war, muss mehr Geld hin. Mehr! Daher, liebe Leser: Helfen Sie! Steigen Sie auf Leitern, ziehen Sie Ihren Kindern die Ohren lang, wachsen Sie selbst in Höhe, Tiefe und Breite! Helfen Sie um Gottes Willen dem BIP (Bruttoinlandsprodukt), dem guten, lieben Allvater Dax, den Emissionen, dem Autobahnbau zu wachsen! Auch das ist Wachstum: wo Armut war, muss mehr Armut werden, Staatsschulden wachsen ins Uferlose und die Bäuche unserer Politiker ebenfalls. Altkanzler Kohl – ein vehementer Wachstumsspezielist und der Lehrer von uns Angie war ein sehr gutes Beispiel dafür – während seiner Amtszeit hat er sich gewichtsmäßig fast verdoppelt.

Die Haupttätigkeit unserer Politiker ist (statistisch belegt) das systematische Anhäufen von Staatsschulden. Betrachten wir mal einen Zeitraum, in dem sich das Bruttosozialprodukt mehr als verdoppelte. Zur gleichen Zeit hat sich die Zahl der Arbeitslosen ebenfalls verdoppelt, genauso wie die Staatsverschuldung. Die Anzahl der Armen im Land hat sich dabei verdreifacht, während sich die Anzahl der Millionäre hat sich sogar fast vervierfacht hat. Die Gehälter der Topmanager und Vorstände haben sich im betrachteten Zeitraum verzwanzigfacht. Mehr, mehr, mehr! Wann und wo (seit dem Nachkriegs-Wirtschaftswunder) hat das Wirtschaftswachstum jemals Arbeitsplätze geschaffen? Das ist eine Behauptung, die nicht nur jeglicher Logik entbehrt, sondern auch schlicht und einfach in der Praxis nicht nachweisbar ist! Es sei denn, man fälscht die Statistik.

An dieser Stelle sei aber auch einmal auf den, ganz allgemein an Körper und Seele zehrenden Politikeralltag verwiesen: Man hetzt von einem Lobbyistenbankett zum nächsten, stopft aus reiner Höflichkeit alle möglichen Kulinarien in sich hinein – mehr, mehr – und lässt allerlei langweilige Vorträge über sich ergehen. Alles nur, um eines Tages vielleicht mal einen gut dotierten Aufsichtsratsposten oder Beraterjob abzustauben. Und zwischendurch müssen dann auch immer wieder einmal diverse Statements in bereitgestellte Kameras und Mikrophone abgesondert werden, die kein Politiker selber geschrieben hat, sondern die Redenschreiber audgearbeitet haben, die der Steruerzahler finanzierte. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass es richtig Arbeit ist, diese Reden vor dem Spiegel einzuüben, mit souveräner Wichtigmiene, was natürlich ganz besonders anstrengend ist und regelmäßig zu Muskelkater und schmerzhaften Verspannungen im Gesichts- und Nackenbereich führt. Solcherlei Selbstzerfleischung sollte selbstverständlich auch gebührend entlohnt werden.

Immer und immer wieder wird darin das Wunderwort Wachstum beschworen. Das Wachstum als behütenswerte und allein seeligmachende, aber noch ausgesprochen zarte Pflanze muss besonders gehegt und gepflegt werden. Ansonsten ist nämlich alles aus: der Staat, die Gesellschaft & die öffentliche Ordnung sowieso. So fragil, wie die vorhandene Luft ein Lebewesen entweder gesunden oder sterben lässt, so fragil erscheint der wichtigste Begriff unserer Republik „Wachstum“ wohl auch in der täglichen Realität der Republik.

Ohne Wachstum keine Zukunft wird behauptet. Ich plädiere deshalb gleich für „Mehr Netto als Brutto“!

Oder ist die Wachstumshysterie gar ein Affront gegen Kleinwüchsige?

Vielleicht ist weniger ja doch mehr?

Euer Willi

24. September 2014 von Christa Jasinski
Kategorien: Satire | Schreibe einen Kommentar

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