Strom aus eigenem Anbau

Das Eis macht der Stromerzeugung den Strich durch die Rechnung

Strom aus eigenem Anbau oder wie man mit Hilfe von Wasserkraft Unabhängigkeit erlangt.

von Dorothea Baumert

Vögel zwitschern, Wind rauscht durch die Bäume, der Hahn kräht seinen Hennen zu, die Nachbarskinder kichern miteinander … idyllisch, nicht? Nunja, die Kinder unterhalten sich über Iphones und lassen ihre neuesten Musikdownloads erklingen, vorbeifahrende Autos sorgen für ein ununterbrochenes Rauschen und im Haus brummen Kühlschrank und Computer um die Wette. Immernoch idyllisch?

Manchmal spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken, auf meinem zukünftigen Familienlandsitz ganz und gar auf elektrischen Strom zu verzichten. Denn jedes Mal, wenn ich ein paar Tage in unserer Hütte im Wald verbringe, wo es weder Strom noch fließend Wasser gibt, fühle ich mich tief entspannt und glücklich. Einen Großteil meiner Glücksmomente im Wald schreibe ich dem einfachen Lebensstil zu – schlafen gehen, wenn es dunkel wird, aufstehen, sobald sich die Sonne zeigt, Heizen und Kochen mit Holz, Kerzenlicht am Abend. Dieses Leben hat nicht nur etwas romantisches, sondern auch etwas zutiefst erfüllendes zu bieten, es fühlt sich rein und natürlich an.

An anderen Tagen fühle ich mich aber doch sehr verbunden mit dem Komfort der technokratischen Welt. Musik aus den Boxen der Stereo-Anlage ist ein Genuss, Wäschewaschen mit Hilfe einer Waschmaschine geht so schnell und einfach, Internet und Computer erscheinen mir als die Schlüssel zur Welt, zu Kommunikation und Information. Früher oder später werde ich mich entscheiden müssen, ob ich dem Leben mit oder ohne elektrischen Strom auf meinem Familienlandsitz Vorzug gebe. In der Zwischenzeit schaue ich mir die Lösungen anderer Menschen für das „Strom-Problem“ an.

 

In einem sizilianischen Ökodorf habe ich feststellen müssen, dass die elektrische Energie aus zwei kleinen Solarzellen in null komma nix aufgebraucht ist. An manchen Tagen, wenn die Sonne hinter Wolken versteckt war, reichte die getankte Energie gerade mal für wenige Stunden Licht am Abend. Nicht selten saßen wir noch bei Kerzenlicht beisammen, lange nachdem uns das elektrische Licht verlassen hatte. Der Nachteil von Solarzellen ist, dass sie an bewölkten Tagen wenig Energie liefern, man selbst aber gerade dann am meisten darauf angewiesen ist. Und brauchten wir mal etwas mehr Strom als nur fürs Licht, so haben wir die Autobatterie angezapft. Die perfekte Lösung des „Strom-Problems“ ist das also nicht.

 

Auf der Suche nach einer mehr versprechenden Lösung, habe ich Anfang April 2013 meinen schwedischen Bekannten Johannes besucht. Er ist Elektroingenieur und Lehrer für Transzendentale Meditation, aber vor allem ist er ein „Strom-Selbstversorger“. Seit mehr als 30 Jahren nutzt Johannes die Wasserkraft eines Baches, welcher sich durch sein Grundstück schlängelt.

2013-04-03 18.01.03  Mit Hilfe des elektrisch betriebenen Tors kan n Johannes regulieren, wieviel Wasser fließe n soll

Schon Johannes Vorgänger, die an diesem Bach wohnten, betrieben eine kleine Mühle zum Mahlen von Getreide und zum Holz schneiden. Als Johannes die Idee kam, das Wasser zur Stromerzeugung zu nutzen, änderte er den Flusslauf. Nun wird das Wasser vom Bach in einem kleinen Staudamm gesammelt und dann in einen Kanal geführt. Von dort aus fällt es durch ein großes Tunnelrohr den Abhang hinunter, wird zu drei Turbinen geleitet und danach wieder „frei gelassen“.

Die Konstruktion von oben   Durch das riesige Rohr wird das Wasser zu den Turbinen geleitet

Die kinetische Energie des Wasserfalls wird in mechanische Energie umgewandelt, welche zum Antrieb der Generatoren und damit zur Stromerzeugung gebraucht wird. Die drei Turbinen bringen eine Leistung von je 5, 15 und 45 Kilowatt auf und erzeugen pro Jahr ungefähr 150.000 bis 200.000 kWh. Das ist genügend Strom für Johannes und seine Nachbarn, je nach Energieverbrauch reicht der für 15 bis 45 Haushalte. Johannes ist ans öffentliche Netz angeschlossen und beliefert die Stadtwerke (bzw. das schwedische Äquivalent dafür). Ganz einfach war das Abkommen mit denen nicht, am Anfang gab es einige Scherereien. Aber Johannes redet nicht gern über die Details, sondern meint nur, dass er letzten Endes ein sehr gutes Argument hatte: Er appellierte an das Image der Stadtwerke. Wäre es nicht äußerst schlechte Werbung für sie, wenn sie saubersten Ökostrom ablehnten und stattdessen welchen aus Atomkraftwerken annähmen? Inzwischen hat er sein Auskommen mit ihnen, speist stetig seinen Strom ins Netz ein und wird dafür bezahlt. Rein rechtlich ist es nicht erlaubt, dass er seinen selbst erzeugten Strom direkt für den Eigenverbrauch nutzt. Er muss ihn den Stadtwerken verkaufen und zu einem höheren Preis zurück kaufen. [An dieser Stelle beiße ich mir auf die Zunge und erspare mir einen Kommentar].

2013-04-03 18.35.04  Johannes beim Stromablesen

 

Mal abgesehen von den bürokratischen Hürden scheint es ein ganz effizientes Unterfangen zu sein. Die meiste Arbeit hatte Johannes am Anfang, als er den Kanal bauen und Turbinen beschaffen musste, inzwischen bedarf die Anlage lediglich einer täglichen Wartung, läuft aber ganz gut von selbst. Auch vor zu hohen Investitionskosten muss man nicht zurückschrecken. Die kleinste Turbine ist zum Beispiel selbst gebaut, u.a. aus recycelten Autoteilen. Die große Turbine war ein Geschenk eines Unternehmers im Austausch gegen Johannes Erfahrung und Mitarbeit an einem Projekt. Der einzig wirkliche Nachteil ist, dass der Kanal im Winter zufriert und die Turbinen dann nahezu still stehen. Dafür nimmt die Stromerzeugung kein Ende wenn es im Frühling taut und im Sommer regnet.

Die Stromerzeugung durch Wasserkraft scheint mir für ein Öko-Dorf eine recht praktische Lösung zu sein – allerdings nur dann, wenn sich mindestens einer der Einwohner mit Technik auskennt (und das werde bestimmt nicht ich sein, denn bei meinem Besuch bei Johannes habe ich verstanden, dass es etwas gibt, wovon ich nichts verstehe, und das ist Physik).

Eine Sache, die mir aber sehr einleuchtet, ist Johannes Geschichte vom Erfolg. Er erzählte mir, wie er als junger Mann den Traum hatte, mit Hilfe von Wasserkraft unabhängig zu werden. Zuerst spielte er mit seiner Vorstellung, plante alles bis ins Detail und empfand Freude beim Träumen. Erst dann, als in Gedanken schon alles erschaffen war und ihn dies glücklich machte, begann er mit der materiellen Umsetzung seines Plans.

Dann träume ich also am besten davon, dass sich in dem Ökodorf, in dem ich mal leben werde, jemand anderes um den Strom kümmert.

 

 

 

 

 

12. April 2014 von Christa Jasinski
Kategorien: Rund um den Familienlandsitz | 2 Kommentare

Kommentare (2)

  1. Tolle Sache finde ich. Mach das mal auf dem Flachland 😉
    Aber wieso taucht 2 x der Begriff Vögel im Text auf, was da nicht hingehört??

    • Danke für den Hinweis, lieber Michael. Wie das passiert ist, dass weiß ich nicht. In der kopierten Vorlage waren diese Worte an der Stelle nicht. Die Worte müssen sich beim Kopieren dazwischen gemogelt haben – wie, das wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Es hatte sich übrigens noch etwas dazwischen gemogelt. Die Internetadresse von Stefan Hämmerle, die ich für den vorherigen Beitrag kopiert und darunter gesetzt habe, prangte nun noch einmal mitten in dem Text, den ich ja als Letzten online gesetzt habe. Da hat die Technik mir wohl ein Schnippchen geschlagen. 🙂 Ich habe es geändert.

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