Was wäre, wenn wir keine Tiere hätten?

Im September war ich auf dem Familienlandsitzgründertreffen, zu dem mich Jemand – Elisabeth – im Auto mitnahm. Auf dem Rückweg sprachen wir über das Thema Tiere auf den Landsitzen und Elisabeth brachte hier Bedenken bezüglich der zu schnellen Vermehrung von bestimmten Tieren vor. Ich war auch ein wenig ratlos, aber ich hatte eine Frau – Marla – kennengelernt, die mit ihrer Familie seit einiger Zeit in Selbstversorgung auf einem Hof lebt und die, obwohl sie sich größtenteils vegan ernährt, niemals auf Tiere verzichten würde. Um zu erfahren, wie sie damit umgeht, fragte ich sie und gebe hier gerne weiter, was mir Marla dazu schrieb:

Tierhaltung in der Selbstversorgung – und das, obwohl wir fast vegan leben – geht das überhaupt?

Vor einigen Jahren kauften wir uns einen kleinen Hof, um dort in Selbstversorgung zu leben. Und für mich war auch sofort klar: Ich will dort mit Tieren leben.

Tierhaltung ist ein schwieriges Thema wenn man nachhaltig leben will. Vor allem bei Veganern höre ich immer wieder Vorbehalte bezüglich der Tierhaltung. Das liegt sicher daran, dass der größte Teil der Menschen, die sich vegan ernähren, sich mit dem befasst haben, wie die Tiere in unserer heutigen Zeit gehalten werden. Es geht jedoch auch anders! Ich liebe Tiere und möchte nicht ohne Tiere leben. Mir sind die Tiere um mich herum einfach viel zu wichtig.

Wir haben ein Pferd und wir haben drei Esel. Das Pferd reiten wir nur, wenn es das auch selber will. Ein Leben ohne Pferd könnte ich mir notfalls noch vorstellen, aber ohne unsere Esel niemals. Für mich gehören Esel einfach dazu.

Esel sind absolut robust, wenn man sie artgerecht hält und sie können unglaublich viele Arbeiten erledigen. Doch das Wichtigste für mich ist dabei: Das Leben mit ihnen macht enorm viel Spaß, weil es ganz außergewöhnliche Lebewesen sind.

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Wir leben zum Großteil vegan. Trotzdem habe ich vor ein paar Jahren das Projekt „Hühner“ gestartet. Unsere Vorgänger hatten uns ein liebevoll hergerichtetes Hühnerhaus überlassen, das nun verwaist war und mein Gedanke war: Darin können ein paar Hühner, die aus der Legebatterie ausgemustert wurden, alt werden – es ging uns nicht um die Eier.

Im Nachhinein war das eine fatale Entscheidung und ich würde sie gerne wieder rückgängig machen, was natürlich nicht mehr geht. Warum? Diese Hühner sind enorm überzüchtet und haben leider einen sehr starken Lege- und Bruttrieb. Der wurde ihnen ja angezüchtet. So ergab es sich, dass wir sehr schnell viel zu viele Hühner und auch Hähne am Hof hatten. Doch spannenderweise vertragen sich unsere, inzwischen bis zu zehn Hähne verschiedener Altersgruppen ohne große Probleme! Es gibt zwar hin und wieder mal kleine Rangeleien, die jedoch meist recht schnell behoben sind (das machen sie unter sich aus) und bisher noch nie zu starken Verletzungen geführt haben. Ich glaube, dass es mit mehreren Hähnen nur dann Probleme gibt, wenn sie zu wenig Raum haben.

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Unter Tierliebe verstehe ich jedoch auch die Rückbesinnung auf die alten, teilweise schon fast ausgestorbenen Tierrassen, wie zum Beispiel das Augsburger Huhn oder der Deutsche Sperber. Den Sperber hat man sogar deshalb nicht mehr so gerne genommen, weil er kein so ausgeprägtes Brutverhalten hat. Aber es gibt da viele alte Rassen. Wenn man sich mal umschaut, dann findet man für jede Gegend welche. Wenn ich es heute noch mal entscheiden könnte, hätte ich mir eine dieser alten Rassen zugelegt. Diese legen lange nicht so viele Eier wie die Batteriehühner.

Laufenten halten wir auch, sie halten die Nacktschnecken im Zaum, die bisher einzig wirklich effektive Methode – auch wenn unsere Hühner sich manchmal an Nacktschnecken heran trauen.

Alle Tiere die jemals bei uns eingezogen sind, dürfen auch bei uns sterben. Alle Tiere werden in offenen Ställen gehalten und haben ihren Auslauf. Die Katzen leben natürlich draußen und sind kastriert (mit wehem Herzen, aber anders geht es leider nicht) – Katzenfutter haben sie nie kennen gelernt.

Die Arbeit mit den Tieren ist für mich unglaublich befriedigend. Das Wort Arbeit ist deshalb auch nicht richtig. Eigentlich empfinde ich es nicht als Arbeit. Es fühlt sich einfach nur gut an wenn wir schon von unseren Tieren erwartet werden, wenn unser Esel Niklas mir seine warmen Nüstern auf die Hand drückt, wenn unser Pferd auf der Wiese vor Lebensfreude herum springt und wenn eine der Katzen vor Behaglichkeit schnurrend auf meinem Schoß liegt.

Ich würde ohne Tiere nicht leben wollen!

Was wäre, wenn wir keine Schafe hätten?

Unsere Schafe leben auf einer großen Obstwiese, auf der sie auch ihren Unterstand haben. Durch ihr Fressverhalten stoppen die Schafe dort die Verbuschung und halten die Wiese kurz. Die großen Bäume werden im Wurzelbereich gut gedüngt, da die Schafe oft unter den Bäumen im Schatten liegen und auch Ihre Geschäfte dort verrichten. Unsere Obstbäume sind dadurch sehr ertragreich. Auch andere Bereiche auf dem Hof werden von ihnen gemäht, ohne dass wir dafür auch nur einen Finger krümmen müssen. Außerdem erhalten wir in jedem Frühjahr wunderbare Wolle, die wir spinnen und verstricken können. Im Gegensatz zu den Schafen, die in riesigen Herden gehalten werden, werden unsere Schafe im Frühling liebevoll geschoren – das genießen sie dann sogar, weil sie sonst mühevoll ihre alte Wolle an Bäumen und Sträuchern abrubbeln müssten. Da sie im Frühling mehr Wolle abgeben, als wir für uns zum Anziehen brauchen, können wir die restliche Wolle dazu nutzen, den Dachboden zu isolieren. Als wir den Hof kauften, war der gesamte Dachboden mit Steinwolle gedämmt. Die entfernen wir nun Stückweise von Jahr zu Jahr und tauschen sie gegen die Wollvliese der Schafe aus.

Leider muss die Schafpopulation kontrolliert werden d.h. entweder werden die Jungtiere im Alter von 10-12 Monaten verkauft oder wir müssen einen Großteil der Böckchen kastrieren lassen. Die nicht verkauften Schafe bleiben bei uns bis sie ihr natürliches Ende finden. Wenn zu viele von ihnen auf einmal in die Jahre kommen, lassen wir den Bestand ein wenig ansteigen, um die späteren Verluste wieder ausgleichen zu können. Dafür lassen wir dann wieder ein paar Böckchen mehr unkastriert. Inzwischen habe ich gehört, dass es bei den Schafen ist, wie bei den Hühnern: Die alten Rassen vermehren sich lange nicht so stark, wie die extra auf Wolldicke und auf Milchproduktion gezüchteten. Deshalb würde ich mit meinem heutigen Wissen auch hier auf die alten Rassen zurück greifen.

Was wäre, wenn wir keine Hühner hätten?

Die Hühner sind für mich einfach die besten Beetvorbereiter, die ich mir vorstellen kann. Ich zäune die Fläche, die ich später als Beet verwendet werden möchte, einfach ein – das geht sehr schnell. Danach können die Tiere rein und ihrem Tagwerk nachgehen: ausgiebig scharren und nach Würmern und anderen Bodeninsekten suchen. Dabei lockern sie den Boden. Wenn die Hühner alles verarbeitet haben, ist die nächste Fläche dran. Selbst einige Tiefwurzlern wie Quecken usw. dezimieren sie. Die von den Hühnern bearbeitete Fläche lassen wir nun ein paar Tage ruhen und können sie dann wunderbar als Beet verwenden. Die Hühner freuen sich darüber, in immer neue Bereiche geschickt zu werden und als kleinen Dank dafür bekommen wir ein paar Eier von ihnen (die Hühner machen durch lautes Gackern darauf aufmerksam, wenn sie die Eier nicht ausbrüten, zum Beispiel, weil sie nicht befruchtet wurden). Diese Eier sind das einzige, was wir noch vom Tier essen – sie würden sonst eh verfaulen, weil ja ins Hühnerhaus keine Raubtiere gelangen. Achja – Raubtiere: Das ist die einzige Arbeit, die wir mit den Hühnern haben, nämlich sie jeden Abend ins Hühnerhaus zu bringen, sonst würde wohl das eine oder andere Huhn dem Fuchs zum Opfer fallen. Wenn wir abends die Hühner aus dem eingezäunten Gehege lassen, wo sie zur Zeit tätig sind, dann laufen sie alle schon automatisch zum Hühnerhaus. Ich finde Hühner sehr unterhaltsam. Oft sitze ich im Garten und schaue den Hühnern einfach nur zu – ihr Verhalten bringt mich immer wieder zum Lachen. Die Hühner kommen wie die Wilden angerannt, wenn wir unsere Essensreste zu ihnen bringen, weil jedes Huhn etwas davon abhaben will. Witzigerweise halten sich die Hähnchen dabei zurück – sie lassen ihren Damen den Vortritt. Und mit dem Mist der Hühner dünge ich auch noch meine Beete.

Wenn wir die Hühnerpopulation im Zaum halten wollen, dann nehme wir den Legehennen mit wehem Herzen ein paar ihrer Bruteier weg, in der Hoffnung, dass sie es nicht merken, dass dort statt sechs nur noch drei Eier liegen. Anders geht es einfach nicht. Die befruchteten Eier essen wir auch nicht – sie werden in den Garten gelegt und dort finden sich immer Tiere ein, die sie fressen. Aber, wie schon gesagt: Besser wären die alten Sorten, die lange nicht so lege- und brutfreudig sind. Ich habe daraus gelernt und würde keine Hühnersorte mehr aus den Batterien nehmen.

Was wäre, wenn wir keine Tiere hätten?

Wir müssten viel mehr in unserem Garten arbeiten. Die Arbeiten, die von den Tieren verrichtet werden, blieben letztlich an uns hängen. Unsere Tiere werden nicht gegessen und sie bekommen keine Nahrung von Flächen, auf denen wir sonst etwas für unsere Ernährung anbauen müssten. Einzig für unser Pferd und die Esel bauen wir auf einer kleinen Fläche etwas Hafer und Mais in Mischkultur mit Leguminosen an und wir mähen für den Winter ein Stückchen Hangwiese, auf die wir deshalb die Schafe nicht lassen. Wobei die Esel viel genügsamer sind als das Pferd.

Wir bieten unseren Tieren ein artgerechtes Leben und viel Liebe. Dafür erhalten wir von ihnen jede erdenkliche Hilfe. Besser kann ich es mir ein Leben nicht vorstellen – ganz ohne Tiere möchte ich nicht sein.

Marla

04. Oktober 2013 von Christa Jasinski
Kategorien: Garten/Pflanzen/Tiere | 5 Kommentare

Kommentare (5)

  1. So ein Leben finde ich ganz wunderbar. Danke für diesen schönen Beitrag.

    Liebe Grüße von
    mir 🙂

    • Ja, das finde ich auch, liebe Heike! Ganz ohne Tiere kann ich mir auch einen Landsitz nicht vorstellen. Übrigens verzichten Marla und ihre Familie bewusst auf einen Hund, weil man einen Hund hier nicht einfach frei laufen lassen und ihn auch nicht, wie das Pferd und die Esel in einer, wenn auch großen – aber eingezäunten, Koppel lassen kann. Hinzu kommt, dass sie dann beginnen müssten, Futter für den Hund zu kaufen. Marla und Familie möchten, dass sich ihre Tiere möglichst von selber ernähren können.

      • Ich liebe (bestimmte – „naturbelassene“) Hunde über alles, aber bei mir soll ein Hund erst in einer Zeit leben, in der er frei und er selbst sein darf, in einer Zeit, von der in der Bibel steht, daß der Löwe wieder Stroh frißt, wenn ich das jetzt mal so wörtlich nehmen darf. Sicher ist das unter Umständen etwas anders zu verstehen, aber ich denke, Du weißt, was ich meine. 😉

  2. Wunderschöner Artikel *Danke*

  3. Liebe Marla,

    vielen Dank für diesen Bericht. Er ist sehr inspirierend und ich freue mich sehr, daß Du uns Deine Erfahrungen mitteilst. So kann ich bei meinem Vorhaben (ist so ähnlich wie Deins) die gleichen Fehler vermeiden.

    Herzliche Grüße, Petra.

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